Giachen Caspar Muoth (1844-1906), 1887, Al pievel romontsch‘. Hotel Stern, Chur. Foto/Photo: TES.

Das Rätoromanische als vierte Amtssprache

Studienbücher über die rätoromanische Sprache finden Sie in einer der grössten Buchhandlungen in Basel unter ‚Fremdsprachen‘.

Das grosse Schild zwischen den Perrons am Bahnhof Chur verbietet das Überschreiten der Geleise in vier Sprachen: Deutsch, Französisch, Italienisch und Englisch.

Das Rätoromanisch fehlt in der ehemaligen Hauptstadt der Rätoromanischen Kultur und Sprache und in der heutigen Hauptstadt des einzigen dreisprachigen Kantons Die Buchhandlung in Basel ist also kein Einzelfall.

Die Initiative der Lia Rumantscha anlässlich des 25-jährigen Jubiläums des Rätoromanischen als vierte Amtssprache ist deshalb keineswegs überflüssig.

Seit 1938 ist das Romanische eine der vier Landessprachen der Schweiz. Artikel 4 der Bundesverfassung benennt die vier Landessprachen: Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch.

Am 10. März 1996 sprach sich die Bevölkerung mit 76% für eine Revision des Sprachenartikels in der Bundesverfassung aus. Dieser Entscheid verleiht dem Romanischen den Status einer Teilamtssprache des Bundes.

Der in der Bundesverfassung unter Artikel 70 zu findende Sprachenartikel hält folgendes fest:

1. Die Amtssprachen des Bundes sind Deutsch, Französisch und Italienisch. Im Verkehr mit Personen rätoromanischer Sprache ist auch das Rätoromanische Amtssprache des Bundes.

2. Die Kantone bestimmen ihre Amtssprachen. Um das Einvernehmen zwischen den Sprachgemeinschaften zu wahren, achten sie auf die herkömmliche sprachliche Zusammensetzung der Gebiete und nehmen Rücksicht auf die angestammten sprachlichen Minderheiten.

3. Bund und Kantone fördern die Verständigung und den Austausch zwischen den Sprachgemeinschaften.

4. Der Bund unterstützt die mehrsprachigen Kantone bei der Erfüllung ihrer besonderen Aufgaben.

5. Der Bund unterstützt Massnahmen der Kantone Graubünden und Tessin zur Erhaltung und Förderung der rätoromanischen und der italienischen Sprache.

Der Bund übersetzt seither Dokumente besonderer Tragweite ins Romanische. Wenn eine Bürgerin oder ein Bürger sich auf Romanisch an die Bundesverwaltung richtet, antwortet diese auf Romanisch.

Die Lia Rumantscha fordert anlässlich dieses 25-Jahr-Jubiläums jedoch eine konsequentere Verwendung der romanischen Amtssprache auf Bundesebene.

Konkret fordert sie, dass das Romanische gesamtschweizerisch durchgehend bei Beschriftungen und Beschilderungen aller Art verwendet wird. Dies dort, wo die weiteren drei Amtssprachen der Schweiz aufgeführt werden.

Im romanischen Sprachgebiet muss das Romanische bei Informationen an die Bevölkerung auf allen Kommunikationskanälen zudem prioritär eingesetzt werden.

Wenn das Romanische im nationalen Kontext nicht verwendet wird, gerät es zunehmend in Vergessenheit, so die Lia. Die Schweiz ist viersprachig, nicht dreisprachig.

Das Parlament hat im September 2020 tatsächlich die Kulturbotschaft des Bundes für die Jahre 2021-2024 verabschiedet. Diese sieht erstmals die Förderung des Romanischen auch ausserhalb seines Sprachgebiets in Graubünden vor, also in der gesamten Schweiz.

Das Rätoromanisch mit seinen fünf Idiomen ist ohnehin nicht einfach zu standartsieren. Das einheitliche  Rumantsch Grischun ist zwar eine gute Initiative, jedoch in den Rätoromanischen Regionen grösstenteils gescheitert. (Swiss Spectator am 2 Januari 2021, Das schweizerische Esperanto Rumantsch Grischun, am 5. Januar 2021, Rumantsch grischun im Unterricht).

Auf Bundesebene ist diese Sprache als Arbeitssprache vielleicht noch schwieriger einzuführen.

(Quelle und weitere Informationen: www.liarumantscha.ch).

 Korrektur: Melinda Fechner