Die Entstehung der direkten Demokratie

Die Entstehung der direkten Demokratie in der Schweiz kann nicht einfach als organische Entwicklung gedeutet werden, die von der vormodernen und mittelälterlichen Landsgemeinde zur Verankerung der Volksrechte wie Referendum und Initiative in den Kantonsverfassungen (1830-1870) und später in der Bundes­verfassung (1874 und 1891) führt.

Diesem Deutungsmuster wird eine alternative Sichtweise entgegengestellt. Sie begreift die Entstehung der direkten Demokratie als Resultat politischer und sozialer Kämpfe und versucht die «soziale Logik» der vielgestaltigen Protestbewegungen zu entschlüsseln.

Im Zentrum stehen die Erfahrungen, Wahrnehmungsweisen, Interessenlagen und Bedürfnisstrukturen der historischen Akteure aus den unteren Gesellschafts­schichten. Diese erscheinen nicht nur als passive Objekte, sondern als Agierende und Reagierende.

Die Studie umfasst den Zeitraum von der Spätaufklärung bis 1874. Der Schwerpunkt liegt auf dieser Zeit, in der sich Ansätze zur repräsentativen und direkten Demokratie parallel entwickeln. Schliesslich wird gezeigt, wie diese plebiszitären Instrumente ausgebaut werden und zur Verankerung des fakultativen Gesetzesreferendums in der revidierten Bundesverfassung von 1874 führen.

Zudem werden die Defizite der schweizerischen Demokratieentwicklung im 20. Jahrhundert aufgezeigt.

(Rolf Graber, Demokratie und Revolten. Die Entstehung der direkten Demokratie in der Schweiz, Zürich, 2017).