Regio Basiliensis, Paneldiskussion, Bad Bellingen, am 3. Mai 2022. Foto/Photo: TES.

Die Oberrheinregion im Fokus

2023 wird ein Jubiläumsjahr für den Verein Regio Basiliensis: Seit seinem Gründungsjahr 1963 setzt er sich für eine bessere Vernetzung der Regionen am Oberrhein ein und war mit einer solchen grenzüberschreitenden Partnerschaft seiner Zeit voraus – ein Grund, das 60-jährige Bestehen gebührend zu feiern!

Regionalverband Basiliensis

Der Verband mit seinen rund 400 Mitgliedern ist nicht nur ein erfolgreicher Pionier der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit, sondern zeichnet sich auch durch seinen politischen und institutionellen Rahmen aus.

Dies kommt, in der Oberrheinkonferenz, dem Oberrheinrat und der deutschen, französischen und schweizerischen Regierungskommission zum Ausdruck (weitere Informationen: www.regbas.ch).

Generalversammlung der Mitglieder

Am 3. Mai traf sich der Verband zu seiner 59. Generalversammlung in Bad Bellingen (Baden-Württemberg). Während des Treffens wurde ausführlich über die Digitalisierung, einen integrierten Arbeitsmarkt, eine gegenseitige harmonisierte und anerkannte Bildung und die demografische Entwicklung der Oberrheinregion diskutiert.

Die Coronapandemie hat gezeigt, wie wichtig eine enge Zusammenarbeit in grenzüberschreitenden Regionen ist. Der Erhalt und die Verbesserung der hohen Attraktivität in der Oberrheinregion hängen davon ab.

Aktionspunkte

Eine Studie des Vereins, die in Zusammenarbeit mit dem Wirtschaftsforschungs- und Beratungsinstitut BAK Economics AG angestrengt wurde, bildete die Grundlage für die Gesprächsrunde und Diskussion der Tagung. Der Bericht «Arbeitsmarkt am Oberrhein» ist der dritte in einer Reihe dreier Studien.

Insbesondere die gegenseitige Anerkennung von Diplomen und die Koordinierung von Bildungsprogrammen, die Vorbereitung auf das digitale Zeitalter, Sprachkenntnisse, Projekte, die es den Einwohnern und vor allem jungen Menschen ermöglichen, grenzüberschreitend zu arbeiten, sowie ein guter öffentlicher Verkehr sind die wichtigsten Themen – dies auch angesichts des zunehmenden Arbeitskräftemangels, des Klimawandels und der demografischen Entwicklung.

Unterschiede zwischen den Regionen

Die folgenden Regionen des Oberrheins waren vertreten: das Elsass, Baden, der südlichen Teil von Rheinland-Pfalz (Südpfalz) und die Nordwestschweiz. Die Regionen unterscheiden sich voneinander in Bezug auf ihre industrielle und wirtschaftliche Entwicklung, die Innovation und Forschung, die Arbeitslosigkeit, die Digitalisierung und den (künftigen) Arbeitskräftemangel.

In der Nordwestschweiz (Kantone Solothurn, Aargau, Basel-Stadt, Basel-Landschaft und Jura) leben rund 1,5 Millionen Menschen, im Elsass 1,8 Millionen, in Baden 2,5 Millionen und in der Südpfalz rund 0,3 Millionen (insgesamt über 6,1 Millionen).

Die Nordwestschweiz ist der Jobmotor und Regiomeister der Patente, des Wirtschaftswachstums, der Innovation und des Einkommenswachstums – dicht gefolgt von Baden.

Der Oberrhein und die Europäische Union

Diese Fakten sind auch relevant in Bezug auf die (gescheiterten) Verhandlungen (das Rahmenabkommen) mit der Europäischen Union.

Die Beziehungen zur Europäischen Union wurden bei dem Treffen nur erwähnt und nicht diskutiert. Die Teilnehmenden forderten erneut eine Kompromissbereitschaft beider Seiten. Dass sich der baden-württembergische Ministerpräsident in Brüssel und Berlin aktiv für die Aufhebung der EU-Sanktionen gegen die Schweiz einsetzt, zeigt, dass auch in Süddeutschland die Zusammenarbeit mit der Schweiz hochgeschätzt wird.

Die folgenden Kommentare sind daher kein Protokoll der Sitzung und geben keineswegs den Standpunkt des Vereins wieder. Es ist jedoch wichtig, dass sie angesprochen werden.

Börsenäquivalenz

Neben dieser Kompromissbereitschaft gibt es Vorbehalte gegen die Sanktionen der EU. In erster Linie hat die Europäische Kommission der Schweiz den Zugang zur direkten Teilnahme am europäischen Börsenhandel (die sogenannte Börsenäquivalenz) verwehrt.

Obwohl der Aktienhandel das Kennzeichen des freien Marktes schlechthin ist und nichts mit Politik oder Verträgen zwischen Ländern oder internationalen Organisationen zu tun hat, verweigert die EU der Schweiz das, was sie z. B. Singapur, Australien, Südafrika oder Argentinien genehmigt.

Europäisches Forschungsprogramm Horizon

Der zweite Punkt ist das europäische Forschungsprogramm Horizon. Es ist eine Tatsache, dass die Schweiz eines der innovativsten Länder mit den besten Forschungszentren der Welt ist. Obwohl auch dieses Programm nichts mit dem Rahmenabkommen zu tun hat und die Schweiz inhaltlich und finanziell der verlässlichste Partner ist, schliesst die EU sie aus.

Selbst während der kommunistischen Ära gab es viele wissenschaftliche Partnerschaften zwischen Ost und West – vor diesem Hintergrund verwundert es, dass der Schweiz die Teilnahme verwehrt wird.

Darüber hinaus zeichnet sich die Schweiz gerade dadurch aus, dass sie international führende wissenschaftliche Projekte, Forschungen und Experimente nicht nur initiiert, sondern auch weiterführt. Dabei schaut sie stets über den europäischen Tellerrand hinaus, denn Qualität und nicht Quantität ist oberstes Gebot.

Dieser Anspruch gilt nicht nur entlang des Rheins, sondern auch in Zürich (ETH, Eidgenössische Technische Hochschule), in Lausanne (EPFL, L’École Polytechnique Fédérale de Lausanne), in Genf (CERN, Conseil européen pour la recherche nucléaire) oder in den internationalen Forschungszentren in Davos. Ein gutes Beispiel ist auch das Projekt Mont Terri in St. Ursanne (Kanton Jura).

Der Binnenmarkt

Ein dritter Aspekt betrifft den Binnenmarkt. Vor allem die Nordwestschweiz ist der Job- und Wirtschaftsmotor der Region. Jeden Tag überqueren rund 34 000 Französische Bürger*innen die Schweizer Grenze um zu arbeiten gegenüber 100 Schweizer *innen, die in der französischen Grenzregion ihr Geld verdienen, und über 36 000 Deutsche gegenüber über 400 Schweizer*innen. Dennoch hat die Nordwestschweiz die niedrigste Arbeitslosenquote.

Die Sanktionen der EU treffen die gesamte Region. Auch  eine mögliche Nichterneuerung der bilateralen Verträge, wodurch automatisch die WTO-Regeln in Kraft treten würden, hätte einschneidende Folgen. ohne den gegenseitigen Bedarf an Handel und Produkten zu verringern.

Inflation und der Euro

In der Schweiz beträgt die Inflation derzeit rund 2,5 %, in Frankreich und Deutschland nähert sie sich  der 10 %-Marke. In anderen Ländern, wie zum Beispiel in den Niederlanden, hat sie dieses Niveau bereits erreicht (11%). Bezeichnend ist auch die Abwertung des Euro, nicht nur gegenüber dem Dollar, sondern auch im Vergleich zum Schweizer Franken. Bis 2002 hatten auch Deutschland und die Niederlande eine solide Währung. Im Jahr 2002: Hfl. 1: 1,60 CHF, Mai 2022: 1 Euro: 1,04 CHF.

Der billige Euro oder der teure Franken und die Inflation sind auch für Baden und die Südpfalz auf lange Sicht ein Nachteil. Diese Situation wird sich mit der bevorstehenden Transferunion und der Teilnahme von immer mehr Ländern noch verschärfen. Die Löhne in der Schweiz sind bereits dreimal so hoch, die Inflation und die (kantonalen) Steuern viel niedriger als im Elsass, in Baden und in der Südpfalz.

Die politischen Diskussionen über die (direkte) Demokratie, die Rolle des Europäischen Gerichtshofs, den Lohnschutz, die Bürgerrichtlinie und die Subventionen haben eine andere Dimension.

Schlussfolgerung

Die Studie und die Akzente des Vereins zeigen den Mehrwert für die Oberrheinregion. Gleichzeitig machen die vielen Unterschiede in dieser Region deutlich, dass die Realität oft hartnäckiger ist als Ideale einer undifferenzierten Einheit.

Die Schweiz ist auf der Mikroebene bereits eine Art Europäische Union. Dies gilt umso mehr für die Oberrheinregion. Die traditionell pragmatische Politik der Schweiz und die konkreten Aktionspunkte und Arbeitsweise der Regio Basiliensis zeigen, dass ein Bottom-up-Ansatz Probleme und Engpässe für Bürger und Unternehmen am effektivsten identifiziert, analysiert und versucht zu lösen.

(Quelle: www.regbas.ch; Bak Economics AG, Arbeitsmarkt am Oberrhein, Regio Basiliensis (Herausgeber), Basel 2022).

Korrektorin: Petra Ehrismann