Mario Sabatini, Modelbau der Laterne von Sant'Ivo alla Sapienza, Rom,1999. Sammlung Albertina, Wien. Foto/Photo: TES

Barock. Zeitalter der Kontraste

Das Wort „Barock“ hat heute eine andere Bedeutung als noch vor zwei Jahrhunderten. Heute steht er für exzessives, theatralisches oder übertriebenes Verhalten oder Aussehen. Das Wort leitet sich vom italienischen „barocco“ ab und bezieht sich auf eine unebene und nicht runde Perle.

Ihr Ursprung geht auf ein Ereignis in Italien zurück: das Konzil von Trient (1545-1563). Dieses Konzil war die Antwort, die Gegenreformation der katholischen Kirche auf die Reformation in Europa, die 1517 begann. Eines der Ergebnisse war eine neue Präsentation und Liturgie der katholischen Kirche. Daraus entwickelte sich der Barock, die Zeit von 1580 bis 1780.

Konzil von Trent (1545-1563), Kopie aus 1770 eines Gemäldes aus dem Jahr 1563. Sammlung: Schweizerisches Nationalmuseum. 

Der Barock beschränkte sich nicht auf das katholische Umfeld; auch protestantische und weltliche Kultur, Wissenschaft, Mode, Kunst und Musik wurden „barock“. Der französische Königshof unter Ludwig XIV. und XV. ist ein Musterbeispiel für diese Kultur. Davon zeugen nicht nur Versailles, sondern auch mehrere Stadtpaläste in Paris. Ein Beispiel ist das Hôtel Lambert. Aufgrund einer Versteigerung der Inneneinrichtung kann die komplette barocke Innenausstattung online besichtigt werden. Sie vermittelt einen Eindruck von barocker Pracht.

Ausschnitt aus einem Wandteppich von Charles le Brun (1619-1690), 1668, Treffen zwischen dem französischen König Ludwig XIV., dem spanischen König Philipp IV. und der spanischen Kronprinzessin (Ludwigs zukünftiger Frau). Sammlung: Mobilier national, Paris

Der Garten des Schlosses von Versailles (angelegt von André le Nôtre (1613-1700), Die Ankunft von Louis XIV, 1668, Reproduktion, Versailles und Trianon, akg-images/Jean-Claude Varga.

Im Landesmuseum Zürich stellt die Ausstellung „Barock. Zeitalter der Kontraste“ den Barock in eine europäische und schweizerische Perspektive. Die Ausstellung ist chronologisch und thematisch gegliedert. Nach dem „barocken“ Eingang mit einem schönen Modell der  Laterne der Kapelle Sant’Ivo alla Sapienze in Rom (Francesco Borromini, 1664) gibt es einen Überblick über die religiöse und staatliche Aufteilung Europas anhand von Karten aus dem 17. Jahrhundert und digitalen Übersichten.

Sie gibt einen klaren Überblick über die wichtigsten religiösen und politischen Mächte und Konflikte in Europa sowie über die Handelsströme und die europäischen Machtkämpfe in der Neuen Welt, in Afrika und Asien. Schliesslich ist es auch die Zeit der Kolonisierung anderer Kontinente.

Es ist eine gute Wahl, die religiösen Spaltungen insbesondere auf den Katholizismus und die Hauptströmungen des Protestantismus zu beschränken. Sie bestimmten die vielen (Religions-)Kriege, den (kolonialen) Handel ,die Flüchtlingsbewegungen sowie das Aufkommen des Barock in dieser Zeit.

Französische Hofmode, 17. Jahrhundert. Sammlung Germanisches Nationalmuseum, Nürnberg

Auch der Titel ist gut gewählt. Das Gold und der Glanz der Kirchen, die Pracht des höfischen Lebens und des Bürgertums, die Blüte der Wissenschaft, der Künste, der Musik, der Architektur und der technischen Entwicklungen standen in krassem Gegensatz zu den fast permanenten Kriegen und (Handels-)Konflikten, den Krankheiten, dem Hunger, der Kälte („kleine Eiszeit“) und der Armut des grössten Teils der Bevölkerung. 

Das Cembalo, teilweise bemalt. 17. Jahrhundert. Sammlung: Museum für Gestaltung  Zürich/Kunstgewerbesammlung/Zürcher Hochschule der Künste

Auch die Schweiz hat eine reiche Barockkultur. Ihre Bürger, die „Zuckerbäcker“, Politiker, Wissenschaftler, Kaufleute und Unternehmer waren in Europa und in den Kolonien der europäischen Länder aktiv und übernahmen oder bereicherten die barocke Kultur. Schweizer Künstler verbreiteten die barocke Kultur nicht nur im eigenen Land, sondern zum Beispiel auch in Rom und am französischen Hof.

Carlo Maderno (1556-1629), Francesco Borromini (1599-1667), Domenico Fontana (1543-1607), Giovanni Viscardi (1645-1713), Enrico Zuccalli (1642-1724) und andere Architekten oder Künstler waren vor allem in Frankreich, Süddeutschland, Österreich (Vorarlberg) oder Italien (Rom) und an anderen Orten tätig.

Johann Baptist Cysat (1587-1657), 1619, Weltkarte mit den Standorten der aktiven und getöteten Jesuiten. Sammlung: Historisches Museum, Luzern

Die Hauptthemen der Ausstellung sind die Rolle der Kirche, insbesondere der Jesuiten und Kapuziner, die Kirchenarchitektur und Volksfrömmigkeit, Versailles und Frankreich als Massstab der Mode, Gärten, Paläste, Hof- und Wohnkultur, Theater, Musik, Literatur und Vorindustrialisierung (in der Schweiz u.a. Seiden-, Woll- und (Druck-)Textilindustrie, Uhrmacherei und Verarbeitung von Tee- und Kaffee), Migration, das Söldnerwesen und die Rolle der Schweizer Bürger in den europäischen Kolonien, die Wissenschaft, die Sammler und ihre Wunderkammer und die europäischen Netzwerke auf jedem Gebiet. 

Blumenpyramide, Delft ca. 1700, Fayence. Rijksmuseum, Amsterdam/Koninklijk Oudheidkundig Genootschap

Zwei weiteren Ausstellungen, in Basel und Winterthur, widmen sich gerade heute einem spezifischen Thema der Barockkultur.

Kurz zusammengefasst, es war eine dynamische, aber kontrastreiche Zeit. Vielleicht wird man in zwei Jahrhunderten  ähnlich auf unsere Zeit zurückblicken.

Die Ausstellung macht auch deutlich, dass diese Zeit die heutige Gesellschaft und Kultur noch immer beeinflusst. Der Barock gehört nicht der Vergangenheit an, sondern ist eine wichtige Phase in der Entwicklung der heutigen Gesellschaft.

(Quelle und weitere Informationen: Landesmuseum Zürich)

Korrektorin: Petra Ehrismann

Andrea Sacchi, Jan Miel, Filippo Gagliardi, die Jesuitenkirche Il Gesù in Rom, 1640, Hundertjahrfeier der Bestätigung des Jesuitenordens. Sammlung: Nazionali d’Arte Antica di Roma.