Jacob Adriaensz Backer, Knabe mit Axt, um 1645, Kunst Museum Winterthur, Ankauf mit Mitteln des Jakob Briner-Fonds, 2021

Der niederländische Kunsttheoretiker und Maler Samuel van Hoogstraten (1627-1687) bezeichnete in seinem Buch  ‘Inleyding tot de Hooge Schoole der Schilderkonst’  (1678) das menschliche Antlitz als ein « Spiegel des Geistes.

Auch in der Malerei spielen Gesichter eine wichtige Rolle. So spiegeln die im 17. Jahrhundert in den Niederlanden gemalten Gesichter im individuellen Porträt beeindruckend viele Facetten menschlicher Physiognomie.

Wie sie im einzelnen die Lebenswirklichkeit einer dargestellten Persönlichkeit wiederzugeben trachten, so können sie im Verbund die Geschichte einer ganzen Gesellschaft widerspiegeln.

Das menschliche Antlitz wurde unabhängig von der repräsentativen Aufgabe der Bildniskunst zum Thema in der holländischen Barockmalerei. Als markante Charakterköpfe mit ausgeprägten Gesichtszügen etablierte sich ein neuer Typus von Figurenbildern: die Tronie, was soviel wie Kopf, Gesicht oder Miene bedeutete.

Alte und junge Menschen in schlichter Kleidung oder extravaganten Kostümen bis hin zur Selbstdarstellung eines Künstlers waren die bevorzugten Sujets, ohne dass die Dargestellten auf eine bestimmte Rolle und Identität festgelegt waren.

Tronien dienten den Künstlern als Studienköpfe, wurden aber auch als eigenständige Bildschöpfungen für den Kunstmarkt geschaffen. Im Gegensatz zu den Standesporträts, die als Auftragswerke Status und Rang der Modelle inszenieren, loten Tronien das Spektrum menschlichen Ausdrucks aus. Ihre Realitätsnähe und Unmittelbarkeit sind von geradezu zeitloser Gültigkeit, welche die virtuos gemalten Gesichter auch heute reizvoll und aktuell erscheinen lässt.

In der Ausstellung (Geschichten in Geschichtern. Porträt und Tronie in der niederländischen Kunst) wird Jacob Backers (1608–1651) jüngst erworbenes Bildnis eines Knaben mit Axt (1645) erstmals gezeigt.

Darum gruppieren sich Gemälde von Künstlern wie Ferdinand Bol, Samuel van Hoogstraten und Jan Lievens, die in vielschichtigem Bezug zu einer erlesenen Auswahl von Historien-, Genre- und Selbstdarstellungen Rembrandts präsentiert werden.