Kloster Werd und sein Labyrinth. Foto/Photo: TES

Tausend Jahre Kloster Werd

Wer an Klöster denkt, hat meist einen grossen Komplex mit verschiedenen Gebäuden, einer grossen Klosterkirche, einem Kräutergarten, Weinbergen und anderen landwirtschaftlichen Flächen vor Augen. Das berühmteste Beispiel auf Papier ist der Entwurf eines Klosters, der in der Bibliothek des Klosters St. Gallen aufbewahrt wird.

Diese Zeichnung aus der Zeit um 830 stammt von einem Kloster auf der Insel Reichenau. Nach ähnlichen Entwürfen wurden ab dem 7. und 8. Jahrhundert viele Klöster errichtet.  Es handelte sich fast immer um grosse Anlagen.

Mehrere grosse Klöster aus dieser Zeit (z.B. Disentis, Einsiedeln, St. Johann, St. Maurice) sind heute noch in Betrieb. Viele andere Klöster (z.B. Ittingen, Dornach, Bellelay, St. Urban) wurden im Laufe der Zeit aufgelöst und die Gebäude werden heute anders genutzt. Andere wurden abgerissen und sind in Vergessenheit geraten, wie zum Beispiel in Moutier-Grandval.

Die Grösse eines Klosters sagt nichts über seine Lebenszeit aus. Ein Beispiel ist das Kloster St. Otmar auf der kleinen Insel Werd im Untersee (Kanton Thurgau) bei Stein am Rhein (Kanton Schaffhausen).

Die Insel Werd und zwei unbewohnte Eilande im Jahr 2008. Bild: Thurgau Bodensee

Der Name leitet sich vom alemannischen Wort „Ward“ ab, was Insel bedeutet. Die Insel ist seit Tausenden von Jahren besiedelt.

Der Untersee, der Rhein vom Bodensee

Die ältesten Funde stammen aus dem Jahr 7000 v. Chr. In römischer Zeit (15. v. Chr. bis 410 n. Chr.) war Werd Teil des Vicus Tasgetium (Eschenz). Die Römer bauten die erste (Holz-)Brücke zur Insel. Eine kleine Ausstellung mit Dokumentationen und archäologischen Funden ist im Priesterhaus des Klosters eingerichtet.

Die Geschichte des Klosters beginnt mit dem irischen „Wandermönch“ Gallus (um 550 bis 620). Irland und England sind nicht nur Länder, in denen viele schöne mittelalterliche Handschriften entstanden sind (zum Teil inspiriert von Motiven der normannischen Kultur), sondern sie haben auch diverse Klostergründungen auf dem europäischen Festland initiiert.

Im Elsass, in Baden-Württemberg und in der Schweiz ist Gallus der meistverehrte Heilige. Die Abtei St. Gallen wurde auf seinem Grab gegründet und er ist auch der Namensgeber der Stadt und des Kantons St. Gallen.

Der Gründer und erste Abt der Abtei St. Gallen war Otmar (689-759). Otmar stammte aus einer alemannischen Familie. Bis 746 waren das heutige Baden-Württemberg und die Bodenseeregion ein alemannisches Herzogtum. Die Franken eroberten und beherrschten das Gebiet ab dem Jahr 746.

Der alemannische Otmar wurde durch einen fränkischen Abt ersetzt. Der fränkische Bischof von Konstanz verurteilte Otmar zum Hungertod. Diese Strafe wurde in eine Verbannung auf die Insel Werd umgewandelt, wo er 759 starb. Er wurde auf der Insel begraben. Zehn Jahre später wurde er rehabilitiert und in der Abtei von St. Gallen beigesetzt. Im Jahr 864 wurde er heiliggesprochen.

Von da an wurde das leere Grab auf Werd zu einem Wallfahrtsort und eine erste Kapelle wurde darauf errichtet. Im Jahr 959 schenkte Kaiser Otto I. (Otto der Grosse, 912-973) die Insel dem Benediktinerkloster Einsiedeln (Kanton Schwyz). 1957 übertrug der Benediktinerorden das Kloster an den Franziskanerorden.

Das leere Grab in der Klosterkapelle Werd

Die Krypta mit der Reliquie des heiligen Otmar in der ehemaligen Abtei von St. Gallen

Heute beherbergt das Kloster mit seinen schönen romanischen Fresken aus dem 14. Jahrhundert noch immer vier Mönche – ein ununterbrochenes klösterliches Leben von mehr als 1.000 Jahren! Jeden Mittwoch gedenken die Mönche in einem Wallfahrtsgottesdienst des Heiligen Otmar.

Bild: Thurgau Bodensee

Die Brücke nach Werd bei regnerischem Wetter.

St. Otmar, Klosterhof der Abtei St. Gallen. Denkmal zur Erinnerung an die Gründung der Abtei.

Die Holzbrücke wurde ebenfalls restauriert und verbindet die Insel mit dem Festland, als wären selbst die Römer nach 2.000 Jahren noch immer da! Ob man sich auf der kleinen Insel verlaufen kann? Vielleicht im 444 Meter langen Labyrinth, das eine Kopie des berühmten mittelalterlichen Labyrinths der Kathedrale von Chartres ist.

(Quelle und weitere Informationen: Kloster Werd; www.franciscan.ch; Thurgau Bodensee).