Baseldeutsch. Friehner isch alles besser gsi (Früher war alles besser). Foto : Wikipedia/picswiss.ch.

Schweizerdeutsch und die vier Schweizer Sprachen

Einer der faszinierenden Aspekte der Schweiz ist, dass eine fünfzehnhundert jährige Geschichte so viele zeitgenössische (Sprach-)Grenzen, Identitäten und Kulturen geschaffen hat.

 Die deutsche Sprache

Die Alemannen führten die deutsche Sprache nach dem Abzug der römischen Legionen um 410 n. Chr. in weiten Teilen der Ost-, Nord- und Zentralschweiz ein. Die sechs Jahrhunderte nach dem Untergang des weströmischen Reiches im Jahr 476 bestimmen immer noch die deutsch-französische Sprachgrenze.

 Die französische Sprache

Die französischsprachigen Burgunderkönigreiche in der Westschweiz (443-534 und 888-1032) waren entscheidend für die französische Sprache. Nach der Besetzung des Waadtlandes im Jahr 1536 durch die Kantone Bern und Freiburg blieb Französisch die gemeinsame Sprache in diesem Gebiet.

Einige Städte wurden und sind jedoch zweisprachig. Die französische Sprache wurde von den deutschsprachigen Besatzern sehr geschätzt, daher war die Sprache auch nie verboten. Aus Freiburg wurde sogar mehr und mehr Fribourg. Auch die Berner Elite sprach und kommunizierte auf Französisch. Schliesslich war diese Sprache (und das französische Königreich) für diese Kantone kulturell, diplomatisch und wirtschaftlich unentbehrlich.

Der zweisprachige Status des Wallis geht auf die Ausdehnung der deutschsprachigen Städte und die jahrhundertelange Einwanderung von Walsern und anderen Deutschsprachigen ab 1200 zurück. Auch der Ausgang der Kämpfe zwischen dem französischsprachigen Haus Savoyen und den (deutschsprachigen) Bischöfen des Bistums Sitten (Sion) trug nachhaltig zu dieser Grenze bei.

 Die rätoromanische Sprache

Die rätoromanische Sprache hat raethische Wurzeln, wurde aber in der römischen Zeit (15 v. Chr. – 410 n. Chr.) fast vollständig romanisiert.

Mit dem Vordringen der deutschsprachigen Alemannen und Walser (400-1400) in die Süd- und Ostschweiz wurde die Verwendung des Rätoromanischen in Graubünden zunehmend reduziert.

Eisenbahn- und anderen Infrastrukturarbeiten, Tourismus, Industrialisierung und Handel in diesem (neuen) Kanton zog ab 1815 ausserdem viele deutschprechende Einwanderer an. Heute ist das Romanische eine interessante Sprache von rund 60 000 Bündner*innen.

 Die italienische Sprache

Die italienische Sprache im Kanton Tessin und in Teilen des Kantons Graubünden ist aus dem Lateinischen entstanden. Auch nach der Eroberung durch die Schweizer Kantone im fünfzehnten Jahrhundert blieb Italienisch die Sprache dieser Regionen.

 Schweizerdeutsch

Die formelle Assimilation von Italienisch, Französisch und Deutsch erfolgte unter französischem Druck zur Zeit der Helvetischen Republik (1798-1803) und der (französischen) Mediationsakte von 1803.

Diese Assimilierung wurde in der Verfassung von 1848 bestätigt. 1938 folgte die verfassungsmässige Anerkennung des Romanischen als klares politisches Signal der Schweiz und des Schweizer Volkes (fast 90 % stimmten in der obligatorischen Volksabstimmung von 1938 dafür) an die italienische (Irredentisimo) und deutsche Ideologie (Heim ins Reich).

Der Bund

Das Bundesgesetz über die Landessprachen und die Verständigung zwischen den Sprachgemeinschaften (Sprachengesetz vom 5. Oktober 2007) regelt den Gebrauch der Amtssprachen durch die Bundesbehörden und im Verkehr mit ihnen, fördert die Verständigung und den Austausch zwischen den Sprachgemeinschaften, unterstützt die mehrsprachigen Kantone bei der Erfüllung ihrer besonderen Aufgaben und unterstützt die Kantone Graubünden und Tessin zugunsten des Rätoromanischen und des Italienischen.

Mit diesem Gesetz will der Bund: 

  1. die Viersprachigkeit als Wesensmerkmal der Schweiz stärken
  2. den inneren Zusammenhalt des Landes festigen
  3. die individuelle und die institutionelle Mehrsprachigkeit in den Landessprachen fördernd. das Rätoromanische und das Italienische als Landessprachen erhalten und fördern.

Der Bund beachtet bei der Erfüllung seiner Aufgaben insbesondere folgende Grundsätze. Er achtet darauf, die vier Landessprachen gleich zu behandeln, gewährleistet und verwirklicht die Sprachfreiheit in allen Bereichen seines Handelns, trägt der herkömmlichen sprachlichen Zusammensetzung der Gebiete Rechnung, fördert die Verständigung zwischen den Sprachgemeinschaften und er arbeitet bei der Erfüllung seiner sprach- und verständigungspolitischen Aufgaben mit den Kantonen zusammen.

Was der Gesetz jedoch nicht vorsieht, ist die Verbreitung der schweizerdeutschen Dialekte (Schwyzertütsch oder Schwyzerdütsch). Von Region zu Region sind die Unterschiede zwischen den deutschen Dialekten jedoch beträchtlich, zum Beispiel zwischen den Regionen Basel, Appenzell, Schaffhausen, Oberwallis, Zürich und Bern. Diese Dialekte sind für französischsprachige und italienischsprachige Bürger*innen, und gelegentlich auch für deutschsprachige, manchmal schwer zu verstehen.

Schweizerdeutsch wird nicht formell geschrieben, abgesehen von regionalem und informellem Austausch wie persönlichen Nachrichten. Für die schriftliche Kommunikation wird daher das Standarddeutsch verwendet, allerdings mit einigen Varianten: in der Schweiz wurde beispielsweise der Gebrauch des ß (genannt Eszett) abgeschafft und durch das Doppel-ss in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts ersetzt. Die Kinder beginnen mit dem Standarddeutsch, sobald sie in die Schule kommen.

Zudem haben die Kenntnisse der anderen Sprache in den letzten Jahrzehnten drastisch abgenommen. Englisch wird zunehmend zur Sprache junger Schweizer*innen aus verschiedenen Sprachregionen.

Vielleicht wäre anstelle von Esperanto, einer künstlichen Sprache, die uralte Romanische Sprache als Zweitsprache für alle Schweizer*innen eine geeignete Lösung.

Die Sprache fungiert als soziales Schmiermittel jeder Gesellschaft. Der Rückgang der Sprachkenntnisse ist deshalb ein Grund zur Sorge um den Zusammenhalt dieses mehrsprachigen Landes.