Herisau, Kaufmansgebäude. Foto/Photo: TES

Die Textilindustrie der Ostschweiz

Die Ostschweiz (Die Kantone St. Gallen und die Appenzeller) ist ein Textilland. Lange Zeit zählte sie zu den wichtigsten Exportregionen für Stickereiprodukte weltweit.

Bereits im Jahr 825 stellten die Mönche des Klosters St. Gallen die ersten Kleidungsstücke und andere Textilien her. Der internationale Handel und die Produktion nahmen im 15. Jahrhundert mit der Gründung der ersten Weberzunft in St. Gallen ihren Aufschwung.

Um 1910 stammte mehr als die Hälfte der Weltproduktion von Textilien aus der Ostschweiz, und die Stickerei war mit einem Anteil von rund einem Fünftel der grösste Exportzweig der gesamten Schweizer Wirtschaft.

Der Erste Weltkrieg (1914-1918) beendete diese Blütezeit. Dennoch hatten der Handel und die Herstellung von Textilien einen entscheidenden Einfluss auf die Ostschweiz.

Lange bevor die Stadt St. Gallen im 19. Jahrhundert für ihre Stickereien berühmt wurde, hatten Kaufleute aus St. Gallen und Appenzell bereits erfolgreich in Europa und der ganzen Welt mit in der Ostwschweiz hergestellten Leinenstoffen gehandelt.

Im 17. Jahrhundert gehörten das Dorf und die Region Herisau (Kanton Appenzell Ausserrhoden) nicht nur zu den am dichtesten besiedelten Gebieten Europas, sondern waren auch führend in der Leinenproduktion.

In Herisau kreuzten sich bis zu beginn des 20. Jahhunderts die wichtigen Verkehrswege von St. Gallen nach dem Toggenburg und von Gossau nach Appenzell.

Im 18. Jahrhundert übernahm Trogen (Kanton Appenzell Ausserrhoden) diese Rolle. Teufen war ein weiterer wichtiger Ort für die internationale Textilproduktion und den Handel.

Die Leinenindustrie und der internationale Leinenhandel blühten bis Mitte des 18. Jahrhunderts. Ab 1750 wurde Leinen zunehmend durch Baumwolle ersetzt. Mit der Erfindung der Handstickmaschine im Jahr 1828 durch Josua Heilmann (1796-1848) verdrängte die Stickerei allmählich die Baumwollproduktion. Isaak Groebli (1822-1917) erfand dann 1863 die Schiffli-Stickmaschine und die Textilindustrie erreichte ihren Höhepunkt.

Ab 1830 stellte die Schweizer Textilindustrie eine ernsthafte Konkurrenz für die britische Industrie dar. Die britische Regierung schickte sogar eine Delegation in die Schweiz, um dieses „Wirtschaftswunder“ zu untersuchen. Der Parlamentarier John Bowring (1792-1872) verfasste den Bericht „The Report on the Commerce and Manufactures of Switzerland“, der in gewisser Weise auch heute noch aktuell ist!

Der Erste Weltkrieg beendete jedoch diese Zeit des Aufschwungs. Aber selbst in den schwierigen Jahren des Interbellums (1918-1939) und des Zweiten Weltkriegs (1939-1945) verschwanden der Textilhandel und die Textilproduktion nicht.

St. Gallen, Textilmuseum

Sie nahmen nach wie vor einen wichtigen (wirtschaftlichen) Platz in der Ostschweiz ein. Heute prägen textile (Hightech-)Produktionsmethoden auch die Innovationen in anderen Bereichen, z.B. bei der Herstellung von Kunststoffen, Filtern oder Leitern und bei der Stickerei gilt die St. Galler Stickerei weltweit immer noch als Pionierin.

Das Rheintal wird nicht umsonst das Hightech- und Textiltal genannt, eine jahrhundertealte Wirtschaft, die heute mit der florierenden Hightech-Industrie in verbunden ist.

(Quelle und weitere Informationen: Textilland Ostschweiz; Textilmuseum St. Gallen; Museum Herisau; Jahrhundert der Zellweger; Textildorf Rehetobel; Sauer Museum)

Korrektorin: Eva Maria Fahrni

Johannes Hädener, Federzeichnung, Herisau 1789. 

Herisau, seine Paläste und der Rosengarten, errichtet durch Landammann Laurenz Wetter (1654-1734) im Jahr 1695