Les Perles de Saint-Gingolph. Affiche. collection: Musée des traditions et des barques du Léman

Perlen, Parfums und die französische und schweizerische Geschichte von Saint-Gingolph

Die Organisation „Die schönsten Schweizer Dörfer“ porträtiert Dörfer und Kleinstädte. Diese geografischen Perlen befinden sich in den vier Sprachregionen der Schweiz und in Liechtenstein. St. Gingolph (Kanton Wallis) ist jedoch das einzige Dorf, in dem seit mehr als hundert Jahren Perlen hergestellt werden.

Das Dorf ist auch aus einem anderen Grund einzigartig. Der Fluss La Morge trennt das Dorf seit dem Frieden von Thonon (4. März 1569) in einen französischen und einen schweizerischen Teil.

Die Grenze, die Brücke und La Morge

Der Vertrag zwischen dem Herzogtum Savoyen, dem Bischof von Sitten und den Oberwalliser Sieben Zehnden legte die Grenzen des heutigen Kantons Wallis und die Grenze zu Frankreich fest.

Die Grenze, Ende der schweizerischen Bahnstrecke 

So trennt der Rhein seit 1803 auch die Städte Laufenburg und Rheinfelden (Kanton Aargau), doch – anders als in St. Gingolph – führte dieszu getrennten Gemeinden, je einer schweizerischen und einer deutschen.

Seit 1569 leben und arbeiten Franzosen und Schweizer im Dorf St.Gingolph in guter Harmonie miteinander. Beispiele für die harmonische Zusammenarbeit sind die Perlenindustrie, der Schiffbau und der Handel am Genfer See.

Das Museum (Musée des traditions et des barques du Léman) im Schloss zeigt unter anderem eine besondere Sammlung von Schiffsmodellen und Gegenständen aus diesem jahrhundertealten Handel auf dem Genfersee.

Diese enge Beziehung kam auch während der dunklen Periode der deutschen Besatzung (1940-1944) zum Ausdruck. Dank der Intervention eines Drei-Sterne-Generals der Schweizer Armee konnten die französischen Einwohner die Grenze überschreiten, als die Besatzer am 22. und 23. Juli 1944 den französischen Teil von Saint-Gingolph zerstörten.

Geschichte

Das Dorf wurde im Jahr 755 vom Heiligen St. Gingolph (Saint Gangolf oder Gingolf) gegründet. Lange Zeit gehörte das Dorf zu den Bischöfen von Genf, später zu denjenigen von Annecy und anschliessend dem Herzogtum Savoyen. Bern und die Sieben Zehnden von Oberwallis  eroberten das Dorf (und Teile von Chablais und Faucigny) im Jahr 1536.

Der Friede von Thonon legte die Grenzen endgültig fest, obwohl ein Grossteil der Einwohner des Dorfes im Jahre 1860 der Schweizerischen Eidgenossenschaft beitreten wollte (am 22. und 23. April 1860 entschied sich jedoch eine grosse Mehrheit der übrigen Einwohner Savoyens für den Anschluss an Frankreich).

De Perlen von Saint-Gingolph

Die Perlen von Saint-Gingolph

 Perlen aus Austern gibt es schon seit Jahrhunderten. Der Genfer See enthält bekanntlich Süsswasser und daher keine Austern. In Saint-Gingolph stellten vier Fabriken (zwei im französischen und zwei im schweizerischen Teil) seit 1920 wunderschöne Perlen aus Fischschuppen her, und zwar nach einem Verfahren, das bis ins 18. Jahrhundert zurückgeht. Diese Fabriken waren lange Zeit der Hauptarbeitgeber im Dorf.

La Suisse

Die Perlen aus St.Gingolph waren weltberühmt. Vor allem amerikanische und englische Touristen kamen mit dem Schiff aus Montreux oder anderen Orten am See oder sie flogen mit dem Flugzeug direkt aus England in die Schweiz, um Perlen zu kaufen. Die Perlen waren von denjenigen der Austern nicht zu unterscheiden, und es gab sie in allen Formen und Grössen, auch als Perlenketten. 

Die vier Fabriken: La Perle du Lac, la Perle de St. Gingolph, la Perle Orion und la Perle du Léman. Bilder: Musée des traditions et des barques du Léman

 Nach 1970 liess das Interesse an Perlen jedoch nach, und die letzte Fabrik wurde 1974 geschlossen. Doch 2019 nahm der Ingenieur Jean-Loïc Selo die Perlenproduktion in Saint-Gingolph im Schloss des Dorfes wieder auf. Seither sind sie wieder in Boutiquen in Vevey (Kanton Waadt), Thonon und Saint-Gingolph erhältlich.

Die Boutique im Schloss Saint-Gingolph

 Schweizer Schule für Parfümerie

 Jean-Loïc ist auch der Gründer der Schweizer Schule für Parfümerie (Ecole Suisse des Parfumeurs Créateurs). Diese Schule ist ebenfalls im Schloss untergebracht. Jean-Loïc erforscht (alte) Parfums auf der Grundlage von (Archiv-)Forschungen und stellt (einzigartige) Parfums her. Er bietet auch Fortbildungen in diesem Bereich an.

Jean-Loïc Selo (links) in der Ecole Suisse des Parfumeurs Créateurs

 (Quelle und weitere Informationen: Gemeinde Saint-Gingolph; Perles du Léman; Ecole Suisse de Parfumeurs Créateurs)

Korrektorin: Petra Ehrismann