Albert Giacometti, La main, 1947. Kunst Museum Winterthur. Foto/Photo: TES

Selten wurde die Vorbereitung einer Ausstellung so sehr von den aktuellen Ereignissen überholt wie bei „Kunst und Krieg. Von Goya bis Richter“ im Kunstmuseum Winterthur/ Reinhart am Stadtgarten.

Nach jahrelangen Vorbereitungen wird sie bis zum 12. Januar 2023 der Öffentlichkeit präsentiert. Der ursprüngliche Titel war “Wargames”. Seit dem 24. Februar 2022 ist dieser Titel jedoch durch „Kunst und Krieg“ ersetzt worden.

Harun Farocki, Ernste Spiele I-IV, 2010. Sammlung Harun Farocki GbR

Die Ausstellung sollte die Darstellung des Krieges und des damit verbundenen menschlichen Leids durch Künstler und Künstlerinnen ab dem späten 15. und frühen 16. Jahrhundert wiedergeben.

Wargames” meint die Apotheose der digitalen Kriegsführung im 21. Jahrhundert. Vier Videos von Simulationen für US-Soldaten im Irak, die “Wargames”, schliessen die Ausstellung noch immer ab, allerdings hat sich der aktuelle Kontext geändert.

Die Qualität der Arbeiten hat sich jedoch nicht verändert. Die Schau präsentiert einzigartige Serien: Die Apokalypse von Albrecht Dürer (1471-1528), Jacques Callot (1592-1635): Misères de la Guerre, , Hans Ulrich Franck (1590-1675): Schrecken des Dreissigjährigen Krieges, Giovanni Battista Tiepolo (1696-1770): Vari Capricci und Francisco Goya (1746-1828: Desastres de la Guerra.

Albrecht Dürer. Die apokalyptische Reiter. 1511. Sammlung: Kunstmuseum St. Gallen

Diese Künstler schilderten das wahre Wesen des Krieges auf originelle und schonungslose Weise.  Sie stellten nicht im Auftrag Herrscher und Kriegshelden in den Mittelpunkt grosser Ölgemälde, sondern schufen auf eigenes Risiko und ohne Auftrag kleine grafische Werke, die leicht vervielfältigt und verbreitet werden konnten. Dürer war der erste, der die neu erfundene Druckerpresse zu diesem Zweck einsetzte.

Jacques Callot, L’estrapade, nr. 11. 1633. Sammlung: Kunst Museum Winterthur/Stiftung Oskar Reinhart

Félix Vallotton (1865-1925), Käthe Kollwitz (1867-1945), Eduard Rüdisühli (1875-1938), Otto Dix (1891-1969), Frans Masereel (1889-1972), Walter Kurt Wiemken (1907-1941), Alberto Giacometti (1901-1966), Gerhard Richter (1932) und schliesslich Harun Farocki (1944-2014) und seine Serie ‚Ernste Spiele‘, die vier Simulationsvideos für US-Soldaten, spannen den Bogen vom 19.  zum 21.  Jahrhundert.

Francisco Goya, Tampoco, 1810-1814, blad 34. Sammlung: Kunst Museum Winterthur/Stiftung Oskar Reinhart

Eine grosse Überraschung ist Frans Masereels Werk juin 1940-1942. Der belgische Künstler floh im Juni 1940 von Paris nach Südfrankreich. Ähnlich dem „Wandteppich von Bayeux“ zeichnete er 1942 ein kleines Panorama, ein Makimono, das die Kriegsereignisse auf sechs Metern Papier darstellt. Das Werk war 40 Jahre lang nicht öffentlich zu sehen.

Giacomettis La main von 1947 basiert auf seinen persönlichen Erfahrungen. Als er im Juni 1940 aus Paris floh, sah er nach einem deutschen Angriff einen abgetrennten Arm auf der Strasse liegen. Damit stellt er auf seiner Weise das Leid des Krieges dar.

Diese beeindruckende Schau hat auch eine ergänzung in der Ausstellung mit dem Titel „Schachmatt − Spiel der Könige. Herrscherminiaturen des Frühbarock- eine Darstellung von Herrscherfiguren in Miniaturen des Frühbarock.

Friedrich V., Pfalzgraf und König von Böhmen (1596-1632), 1621. Sammlung: Emil S. Kern

Diese Zeit war (auch) äusserst gewalttätig (u. a. der Dreissigjährige Krieg), und die Herrscher führten Kriege wie auf einem „Schachbrett“. Die Herrscher mussten ihre Macht legitimieren, und Miniaturen waren ein wirksames Mittel der Selbstdarstellung. Zu sehen sind wunderschöne Miniaturen aus Frankreich, den Niederlanden und England.

Schach war seit dem Jahr 1000 eine beliebte und besonders prestigeträchtige Freizeitbeschäftigung von Monarchen, Generälen und anderen (militärischen) Führern.

Die Lewis Chessmen, 11. Jahrhundert, der König , die Königin, der Bischof (der Laufer) und der Bauer. British National Museum, London.  Foto: TES.

Die “Lewis Chessmen” sind die ersten in Europa (Isle of Lewis, Nordschottland) gefundenen Schachfiguren aus Elfenbein, die wahrscheinlich in Trondheim in Norwegen hergestellt wurden.

Diese Wikinger lebten damals in Schottland und Irland und hatten das Schachspiel wahrscheinlich in Byzanz oder in der Stadt Kiew kennen gelernt, Jahrhunderte vor der Gründung des Grossfürstentums Moskau und seiner Zaren.

Damit schliesst sich der Kreis dieser Ausstellungen und nimmt Bezug auf aktuelle Ereignisse.

Korrektorin: Eva Maria Fahrni