Cerniat, Charmey und Broc, kleine Dörfer mit einer grossen Vergangenheit und Gegenwart

Cerniat, noch nie davon gehört? Doch dieses Dorf in der Gemeinde Val-de-Charmey (Kanton Freiburg) ist der Sitz der einzigen Chartreuse (Kartause, Kartäuserkloster) der heutigen Schweiz, in der noch Kartäuser leben.

Die Chartreuse de la Valsainte (le val de tous les saints) wurde 1924 von Girard de Corbières, dem Seigneur de Corbières, gegründet. Freiburg erwarb die Seigneurie im Jahr 1553. Abgesehen von der Kapelle ist die Chartreuse für die Öffentlichkeit nicht zugänglich.

Foto: Les moines Chartreux ©: Monastère de la Grande Chartreuse

Auch der Name des Dorfes hat eine lange Geschichte. Das Wort Cerniat leitet sich von dem Wort cierne“ im Patois ab und bedeutet Wiese. Seine Ursprünge gehen auf das lateinische Wort circinus, französisch cerné“, zurück.

Das Dorf liegt im heutigen Bezirk Gruyère (Greyerz), und die Grafen von Gruyère spielten bis zu ihrem Konkurs im Jahr 1553 ebenfalls eine wichtige Rolle in dieser Region.

Cerniat und das nahe gelegene Charmey schlossen sich 2014 zur Gemeinde Val-de-Charmey zusammen. Die Seigneurs de Corbières regierten bis 1454 auch Charmey. In diesem Jahr erwarben die Grafen von Gruyère das Dorf. Seit 1555 ist Charmey Teil des Kantons Freiburg.

Im 17. und 18. Jahrhundert war Charmey ein wichtiger Handelsplatz an der Strasse nach Lyon. Der berühmte Gruyère-Käse und die einzigartigen Reifungskeller (les caves à fromages de la Tzintre) waren die wichtigsten Errungenschaften der Stadt.  Die prächtigen Herrenhäuser erinnern noch heute an diese beiden „goldenen Zeitalter“ des kleinen Dorfes.

Musée Charmey

Heute ist das Dorf unter anderem für seine Badeanstalt, seine Hotelanlagen, seine schöne Natur und seine vielfältigen Möglichkeiten für den Winter- und Sommertourismus bekannt und beherbergt ausserdem ein interessantes Museum.

Auch Broc ist ein Dorf, das ausserhalb der Schweiz bestimmt nicht allzu bekannt ist. Doch schon der Eingang des Dorfes birgt eine lange Geschichte. So ist das jahrhundertealte Schloss (Château) d’En Bas (12. Jahrhundert) das Tor zum Dorf.

Die Barone von Montsalvens bewohnten die Burg von 1340 bis 1555. In diesem Jahr erwarb Freiburg auch diese Baronnie. Die heutige Steinbrücke stammt aus dem Jahr 1580 und ersetzte die viel ältere Holzbrücke. Das Schloss wurde im 19. und 20. Jahrhundert noch mehrmals umgebaut.

Die kapelle de Notre-Dame des Marches (18. Jahrhundert) am Fusse des Dent de Broc, weniger als einen Kilometer vom Dorf entfernt, ist die religiöse Hauptattraktion.

Broc hat aber auch viel Süsses zu bieten, nämlich die Schokoladenfabrik Cailler, eine der ältesten Schokolademarken der Welt, wo eigentliche Schokoladenkünstler am Werk sind. Das Maison Cailler macht die Ankunft der Kakaobohne in Europa im 16. Jahrhundert, den Aufstieg der Schweizer Schokoladenhersteller und insbesondere von Cailler interaktiv und buchstäblich greifbar. Man riecht, schmeckt und erlebt die Welt der Schokolade.

Kunst im Maison Cailler 

Von anderer Art ist das Informations- und Auskunftszentrum Electrobroc. Diese Einrichtung zeigt anhand von Dokumentationen, Filmen, Geräten, Modellen und anderen Visualisierungen  die faszinierende Welt der Elektrizität, die (aktuellen) Veränderungen und Anpassungen sowie die Funktion und Rolle der Elektrizität für Umwelt, Klima und Energieversorgung.

Korrektorin: Eva Maria Fahrni

Impressionen von Charmey

Die Spa und Hotel Cailler

Echallens, das tägliche Brot und religiöse Toleranz

Getreide und Brot kennt jeder, die meisten Menschen essen es sogar täglich. Aber wer kennt schon das Weizen- und Brotmuseum (Musée du blé et du pain) in Echallens (Kanton Waadt)?

Echallens liegt in einer der getreidereichsten Regionen der Schweiz (le Grenier de la Suisse) und an den Handelswegen nach Yverdon-les-Bains, Lausanne, Romont, Moudon und Freiburg.

Das Museum öffnete im Mai 1988 seine Türen. Es befindet sich im alten Bauernhaus Panchaud (warmes Brot (pain chaud) oder panchaud (grosses Fenster auf Altfranzösisch)) in der Nähe des Rathauses.

Am 16. April 1989 lieferten Delegationen aus 26 Kantonen ihr Getreide im Museum ab, und das jährliche Getreidefest (Fête du blé) unterstreicht seine (jahrhundertealte) Bedeutung. Folglich ist ein grosser Teil der Arbeitskräfte direkt oder indirekt im Getreidesektor beschäftigt.

Musée du blé et du pain

Handel und Anbau haben in Echallens eine jahrhundertealte Tradition, die auf die Märkte und eine regionale Funktion im Mittelalter im heutigen Bezirk Gros-de-Vaud zurückgeht. Der am Fluss Talent gelegene Ort war lange Zeit auch das Gebiet des Bischofs von Lausanne und der Herzöge von Savoyen. Sein Schloss (1273) stammt aus dieser Zeit.

Die Niederlage des Herzogs von Burgund, seiner Verbündeten Savoyen und des Bischofs von Lausanne im Jahr 1476 bedeutete für Echallens das Ende einer Ära. Von 1484 bis 1798 wurde der Bezirk Orbe-Echallens von Bern und Freiburg durch Vögte verwaltet.

Dies ging bis 1536 und der Reformation in Bern gut. Freiburg hingegen blieb katholisch. Wie in anderen Kantonen (z.B. den Appenzellern, Glarus und Graubünden) verhinderten das Konsultationsmodell und die Kompromissbereitschaft eine Eskalation.

Ratshaus (1781)

Bern und Freiburg stellten gleich viele protestantische und katholische Ratsherren (insgesamt 24, 12 pro Kanton). Es gab einen katholischen und einen protestantischen Vogt und die Gleichheit der Religionen war gesetzlich verankert.

Beide Religionen nutzten dieselbe Kirche (l’église Saint-Jean l’Evangeliste/Johannes der Täufer), das Simultaneum. Die Stadt baute 1727 sogar eine neue Kirche für die zwei Religionen. Seit 1798 (Helvetische Republik) bzw. 1803 (Entstehung der neuen Konföderation durch die Mediationsakte) ist Echallens eine Gemeinde im Kanton Waadt.

Im 19. Jahrhundert bauten die Protestanten (1865) und nach ihnen die Katholiken (1883) jedoch ihre eigenen Kirchen.

(Quelle und weitere Informationen: Commune de Echallens)

Impressionen von Echallens

 

 

Die Kirche von Curtilles und die kulturelle Vielfalt der Schweiz

Die sprachliche Vielfalt der Schweiz ist ein Prozess von vielen Jahrhunderten. Die heutigen französisch- und deutschsprachigen Grenzen sind seit 800 weitgehend festgelegt.

Die italienischsprachigen Gebiete sind teils das Ergebnis von Eroberungen 1512/13 (das Tessin), teils von Bündnissen mit dem Gotteshausbund (Poschiavo (1486) und Bergell (1367) oder dem Grauen/ Oberen Bund (Misox (1496) und Calanca (1496)aus dem 16. Jahrhundert.

Der Gotteshausbund, der Graue / Obere Bund und der Zehngerichtenbund bildeten 1524 den Freistaat der Drei Bünde und 1803 den Kanton Graubünden.

Das romanische Sprachgebiet war bis ins 19. Jahrhundert viel grösser als heute. Dennoch ist die romanischsprachige Bevölkerung mit rund 50 000 Personen so gross wie die gesamte Bevölkerung Graubündens um 1800!

Ein weiterer Aspekt dieser (gut funktionierenden) Europäischen Union auf der Mikroebene ist ihre grosse kulturelle Vielfalt. Ein Indiz dafür ist zum Beispiel die Architektur der romanischen Kirchen (um 1000-1300).

Das Buch Romanische Schweiz/Suisse romane gibt einen ausführlichen Überblick über dieses meist gut erhaltene Kulturerbe, das sich über alle 26 Kantone und 4 Sprachregionen erstreckt.

Die Fresken in der Kirche von Curtilles

Eines der vielen Beispiele ist die Kirche des kleinen Dorfes Curtilles an der  Broye (Kanton Waadt). Das kleine Dorf mit seiner langen Geschichte (Curtilia im Jahr 860, Curtilis (1160) oder Curtiliis (1453) besass bereits 1055 eine romanische Kirche, die nach ihrer Zerstörung 1231 durch den Bischof von Lausanne im romanischen Stil wieder aufgebaut wurde.

Neben diesem Erbe beherbergt das kleine Dorf auch das Schloss aus dem 16. Jahrhundert  von 1542, nachdem sein Vorgängerbau urch Herzog Berthold V. von Zähringen (1160-1218) zerstört worden war.

Im 14. und 15. Jahrhundert fanden weitere (gotische) Renovierungen statt, unter anderem im Chor 

Neben diesem Erbe beherbergt das kleine Dorf auch das Schloss aus dem 16. Jahrhundert , nachdem sein Vorgängerbau durch Herzog Berthold V. von Zähringen (1160-1218) zerstört worden war.

Das Schloss von Curtilles. Bilder Glatz&Delachaux, Nyon

(Quelle und weitere Informationen: Hans-Rudolf Meier, Romanische Schweiz/Suisse romane, Würzburg 1996; Commune de Curcilles)

Korrektorin: Eva Maria Fahrni

Modell in der Kirche