Philosophie und ein Schiedsgerichtsverfahren im Eigenthal am Fusse des Pilatus

Viele Ärzte verschreiben heute anstelle von Medikamenten einen Spaziergang in der Natur oder empfehlen ihren Patienten, regelmässig ins Grüne zu gehen. Wenn ein Spaziergang unerwartet in einer philosophisch gestalteten Umgebung beginnt,  ist die positive Wirkung vielleicht noch grösser.

Dies gilt umso mehr, wenn mythische Berge, Schneelandschaften, Wasserfälle, Bäche und bewaldete Hügel die Kulisse bilden.

Es gibt nicht viele Restaurants, die Gäste mit einer Geschichte von Philosophie und Prominenz von der Antike bis zur Gegenwart empfangen. Auch wenn in der Schweiz fast jedes Dorf seine kulturelle, historische oder natürliche Besonderheit hat, ist ein Kaffee mit Gipfeli unter den wachsamen Augen von Sokrates, Kopernikus und dem Pilatus etwas Besonderes. Am Rande des Dorfes Schwarzenberg (Kanton Luzern) verbindet ein Hotel-Bildungszentrum das Angenehme und Besondere mit dem Nützlichen.

Das Eigenthal und der Pilatus im Nebel

Auch mythische Berge wie der Pilatur haben ein Recht auf Privatsphäre und sie hüllen sich manchmal – in selbst gewählten Momenten – in Nebel.

Schwarzenberg liegt auf einer Höhe von rund 1 000 Metern im Eigenthal am Fusse des Pilatus. Vor rund 10 000 Jahren kam es zu einem starken Temperaturanstieg und der Rümliggletscher im Tal verwandelte sich in einen See. In den folgenden Jahrtausenden verlandete dieser See und die Menschen begannen das Tal zu bewirtschaften.

Schwarzenberg

Der Name Eigenthal taucht erstmals in einer Urkunde von 1287 unter dem Namen Oegenthal auf. Jahrhundertelang war es im Besitz des Klosters Murbach in Luzern. Schliesslich erwarb die Stadt Luzern das Gebiet.

Der Rümlig

An vielen Orten der Schweiz führten ab 1850 die Engländer den Berg- und Wintersport ein. Die Entwicklung des Egenthals zu einem bekannten Wintersportort ist jedoch „hausgemacht“.

Luzerner Bürger gründeten 1903 den Skiclub Luzern, und das Eigenthal und der Pilatus waren die bevorzugten Ziele.  Die Bewohner des Tals wollten nicht zurückbleiben und so gründetendie Einwohner von Schwarzenberg 1925 den Skiclub Schwarzenberg. Im Jahr 1943 spaltete sich jedoch ein Teil der Mitglieder ab und nannte sich fortan Skiclub Eigenthal.

Der alte Skiclub Schwarzenberg änderte seinen Namen in Skiclub Malters, weil die meisten seiner Mitglieder in dieser Gemeinde wohnten. Das Eigenthal wollte dann den Namen Skiclub Schwarzenberg zurückhaben, aber der Skiclub Malters verhinderte dies.

Es kam zu einem Schiedsverfahren , das bis zur  höchsten Ebene des nationalen Skiverbandes ging. Ein Schiedsgericht entschied nach einem vierjährigen (!) Verfahren, dass der neue Verein Malters die (Wieder-)Verwendung des Namens Schwarzenberg zu Unrecht unterbunden hatte.

Der Verein Malters musste sogar eine hohe Entschädigung zahlen. Sokrates war offensichtlich noch nicht im Tal angekommen. Heute sind die Skiclubs Schwarzenberg und Malters wieder auf gutem Fuss und veranstalten jährliche Wettkämpfe und Treffen.

Das Eigenthal wurde auf jeden Fall zu einem bekannten Ort für Wintersport bis 1949  mit der ‚Grossen Pilatusschanze‚. Zudem fanden im Eigenthal von 1929 bis 1966 verschiedene nationale Meisterschaften im 50-km-Dauerlauf statt.

Eine Sternwarte im Eigenthal

Das Tal beherbergt nicht nur Einrichtungen für Sommer- und Wintersport. Es gibt auch die Möglichkeit für Himmelsbeobachtungen, da bekanntlich  die „Lichtverschmutzung“ in den Bergen wesentlich geringer ist als in städtischen Gebieten.

Der Weg zum Pilatus und seiner Bergkette bietet Ausblicke auf die Stadt Luzern, die Reuss, den Vierwaldstättersee, die Rigi, den Bürgenstock und das Vieh auf den  Alpweiden.

Von Luzern aus  sind der Pilatus und die Rigi in ihrer eindrücklichen  Gestalt zu sehen. Kein Wunder, dass sich die grössten Komponisten in dieser Gegend zu Hause fühlten, Richard Wagner (1813-1883)  am einen Ufer, Sergej Rachmaninow (1843-1943) auf der anderen Seite des Sees.

Der Schweizer Alpen-Club (SAC)

Der Schweizer Alpen-Club (SAC, Sektion Basel) organisiert regelmässig Wanderungen in diesem Gebiet (und anderswo im Land). Obwohl der Name anderes vermuten lässt, organisiert der SAC nicht nur (Ski) Touren in den Alpen, sondern auch Wanderungen und Aktivitäten in anderen Regionen. (Weitere Informationen: www.sac-cas.ch)

Korrektorin: Eva Maria Fahrni

Das Wagnermuseum

Der Pilatus, Aussichtspunkt Eigenthal

Der Pilatus, Aussichtspunkt Luzern

Die Rigi, Aussichtspunkt Luzern

Luzern

Das Postauto, immer da und immer ‚pünktlich‘ 

Impressionen vom Eigenthal

Frei zugänglicher Hofladen und Schweizer Zivilgesellschaft

‚Lady in waiting‘ und der berühmteste Brite aller Zeiten im Hotel & Bildungszentrum Matt

Eine Kapelle im katholischen Kanton

Kein Berg und kein Turm zu hoch in der Schweiz

Der Weisse Turm von Mulegns (Kanton Graubünden) bricht allerhand Rekorde. Er wird das höchste digitale gedruckte Bauwerk der Welt sein (aber kein Turm von Babylon im vielsprachigen Kanton), ein einzigartiger Prototyp und ein wichtiger Meilenstien für die globale digitale Transformation.

Der Weisse Turm ist Architekturikone, Installationsraum und Spielstätte zugleich. Neue Erzählformate, digitale Klanginstallationen und intime Konzerte laden zum Besuch und zur Auseinandersetzung mit neuen Raumformen.

Der Turm vermittelt zwischen altem Bestand und neuer Formensprache. Der Bau besteht aus insgesamt sechs Stockwerken, die mit der Höhe immer lichter werden und unterschiedliche Atmosphären tragen. Im Winter wird der Turm mit einer transluzenten Membran vor Wind und Schnee geschützt.

Graubünden hat eine uralte Erzählkultur. Mit skurrilen Märchen, Heiligenlegenden und Schauergeschichten vertrieb man in den Dörfern die langen Winternächte. Die Bauernstube wurde zum Ort des Erzählens, des Fabulierens, der Dichtung und der Musik.

Die Geschichten wurden nicht aufgeschrieben, sondern mündlich tradiert, verändert und oft ausgeschmückt. Der Weisse Turm führt diese Erzähltradition weiter. Der runde Kuppelsaal spielt Theatersaal und  Traumwelt – und vereint die Besucher zum neuen Erzählen.

(Quelle und weitere Informationen: Fundaziun Origin, Riom)

Erasmus und Basel

Desiderius Erasmus (1466-1536) verbrachte zehn  Jahre in vier verschiedenen Perioden (1514-1516, 1521-1529, 1535-1536) in Basel. Wie viele seiner Zeitgenossen führte der Humanist und Gelehrte ein Wanderleben.

Hans Holbein der J. (1498-1543) kümmerte sich für den Froben-Verlag von Johannes Froben (1460-1527) um die künstlerische Gestaltung der  Bücher und damit auch der Werke von Erasmus. Sein Sohn Hieronymus Froben (1501-1563) übernahm 1527 das Geschäft. Dieser war ebenfalls mit Erasmus befreundet.

Die Elite der Künstler, Gelehrten, Studenten, Händler, Mönche und geistlichen und weltlichen (aristokratischen) Herrscher war im Mittelalter und bis ins neunzehnte Jahrhundert viel europäischer als heute..

Sie lasen die gleichen Bücher, hörten die gleiche Musik, hatten den gleichen kulturellen Hintergrund und die gleiche (universitäre) Ausbildung. Sie schrieben und sprachen miteinander lateinisch (und später auch französisch).

Auch Matrosen, Handwerker, Söldner und Lohnempfänger liessen sich oft über weite Strecken nieder. Der Aufstieg des Nationalstaates im neunzehnten Jahrhundert würde diese Einstellung und Mentalität grundlegend verändern.

Erasmus fühlte sich in einem Umfeld des Lernens, des Humanismus und der (relativen) Toleranz sowie der Präsenz von Druckern und Verlegern zu Hause in Basel.

Basel war in dieser Zeit das europäische Zentrum des Humanismus und des Lernens, sowie des Verlags- und Druckwesens. Das Schweizerische Museum für Papier, Schrift und Druck (die Basler Papiermühle) im St. Alban ist ein kulturelles Erbe aus der Blütezeit dieser Industrie.

Basel mit Rhein, Münster und Ort der alten Universität (1460)

Viele der Werke von Erasmus wurden in Basel geschrieben und gedruckt. Auch seine griechische Übersetzung des Neuen Testaments wurde 1516 von seinem Freund und Drucker/Verleger Johannes Froben (1460-1527) in Basel veröffentlicht.

Als tolerante Humanist  geriet Erasmus während der Reformation in Konflikt mit Martin Luther (1486-1543). Erasmus wollte die Kirche durch eine Diskussion von innen heraus reformieren und nicht durch eine gewaltsame Revolution gegen die etablierte Macht (die Kirche). Ab 1516 lebte und arbeitete er im katholischen Leuven und in Brüssel.

Er wollte aber nicht Partei ergreifen und liess sich deshalb wieder in Basel nieder. Erasmus wollte in keiner ausgesprochen katholischen Stadt mehr wohnen und in keiner reformierten. So suchte er Zuflucht in Basel.

Lucas Cranach der Ältere (1472-1553), Martin Luther, 1528. Sammlung: Lutherhaus Wittenberg

Basel war für viele Jahre die Stadt seiner Wahl. Sie ist im Mittelpunkt Europas gelegen, still und vornehm, mit sauberen Strassen, ohne Fürsten, sondern (relativ) demokratisch und ein souveräner Kanton der Eidgenossenschaft seit 1501.

Sammlung: Historisches Museum Basel

Basel war der Ruhepunkt seines Lebens. Hier hat er länger gelebt als an irgendeinem anderen Ort, und diese Namen haben sich miteinander verbunden: Seitdem kann man sich Erasmus nicht mehr ohne Basel und Basel nicht ohne Erasmus denken.

Hier hat Erasmus viele seiner schönsten Geschriften geschrieben. Wenn die geistige Welt Europas damals nach ihrem geistlichen Führer blickt, so sieht sie nach der alten kaiserlichen und königlichen Stadt am Rhein hinüber.

Im Jahre 1529 übersiedelt er in das stillere und kleinere Freiburg im. Breisgau (Baden) hinüber, weil auch Basel zu reformiert wird und er will nirgends Partei nehmen. 1535 war der Rückkehr in Basel und am 11. Juli 1536 starb er dort.

Der katholische Erasmus wurde im reformierten Münster begraben, in der Nähe seines letzten Wohnsitzes im Haus zum Luft an der Bäumleingasse, dem Haus seines Freundes Hieronymus Froben.

Quelle: Stefan Zweig. Triumph und Tragik des Erasmus von Rotterdam, 2021, Frankfurt am Main.

Korrektorin: Giuanna Egger-Maissen

Basel, Haus zum Lufft

Das Münster

Der Münsterplatz