Sta. Maria. Portaal. Foto/Photo: TES.

Kultur und Geschichte im Val Müstair

Ein kleines Tal mit rund 1 600 Einwohnern, sechs Dörfern (fusioniert zu der Gemeinde Müstair), mit weltberühmten und einzigartigen Sehenswürdigkeiten und bemerkenswerten sprachlichen, kulturellen und historischen Besonderheiten: das ist das Val Müstair, im äussersten Osten der Schweiz, an der Grenze zum Südtirol und zur Lombardei (Italien).

Die wichtigsten Institutionen werden im Folgenden erläutert. Ausserdem gibt es mehrere Galerien und andere private Einrichtungen. Die lokale Sprache ist Jauer, eine Variante des im Unterengadin gesprochenen rätoromanischen Vallader. Im Südtirol, in der Region Taufers, wird der Vinschgauer Dialekt gesprochen, in der Lombardei das Ladin, ebenfalls eine rätoromanische Sprachvariante.

Karl der Grosse (748-814) kannte dieses Tal wie kein anderer: Er hielt sich hier 774 und 775 vor und nach seiner Rückkehr von seinem Feldzug gegen die Langobarden auf. Das um diese Zeit gegründete Kloster St. Johann in Müstair (Claustra Son Jon) verdankt ihm seine Existenz

Auch die Kirche in Sta. Maria wurde um diese Zeit gegründet. Das Dorf hiess damals Silvaplana, nahm aber im Laufe der Zeit den Namen der Kirche an, wie es oft geschah.

 Sta. Maria

Das Dorf liegt am Fusse des Umbrailpasses, einem der höchsten Schweizer Pässe mit 2503 (oder 2501) Metern, je nach italienischer oder Schweizer Messung!

Bis 1918 war Österreich sein Nachbar. Italien erwarb das Südtirol nach dem Ende des Ersten Weltkriegs (1914-1918) als Ergebnis der Versailler Verhandlungen (1918-1919). Seitdem heisst der Umbrailpass auf der italienischen Seite Giogo di Sta. Maria.

 Das Museum 1914-1918

 Das Museum 1914-1918 ist dieser Geschichte gewidmet. Die österreichisch-ungarische Armee der Doppelmonarchie kämpfte vom 23. Mai 1915 bis zum 11. November 1918 gegen die italienische Armee am Stilfser Joch (2578 m) und am Umbrailpass.

Es ist eine Ironie der Geschichte, dass  Benito Mussolini (1883-1945) die treibende Kraft hinter diesem Krieg war, obwohl das Königreich Italien nicht nur neutral sondern seit 1882 sogar Mitglied des Dreibundes mit dem Deutschen Reich und der Doppelmonarchie Österreich-Ungarn war.

Doch die Entente aus Frankreich und Grossbritannien versprach Italien im Falle eines Sieges österreichische Gebiete in der Lombardei und sogar im Südtirol, obwohl dort fast keine Italiener lebten.

Es war ein erbarmungsloser Krieg auf 2.500 Metern Höhe, zu allen Jahreszeiten: schwere Artillerie, Nachschub, Munition, Lazarette, Schützengräben und Bunker in einer Höhe, in der sich nicht einmal die Steinböcke gerne aufhalten. Die Front veränderte sich in dieser Zeit nicht. Der menschliche Tribut war enorm.

Das Museum widmet sich dieser Geschichte aus der Perspektive des Drei-Länder-Platzes auf Italienisch, Deutsch und Rätoromanisch (Platz der drei Sprachen, plaz da las trais linguas und Piazza delle tre lingue).

Die Schweizer Armee bewachte und verteidigte ihre Neutralität. Eine Gedenktafel an der Kirche erinnert an den Soldaten Joseph Bauhofer (1890-1918), der an der Spanischen Grippe starb.

Joseph Bauhofer (1890-1918)

Whiskymuseum, Brennerei und Museum

Das Guinness-Buch der Rekorde listet die Whisky-Bar 2007 als die kleinste der Welt, aber mit satten 300 Whiskysorten. Und das für ein Dorf mit weniger als 350 Einwohnern! Ausserdem gibt es eine eigene Whisky-Brennerei und ein Whisky-Museum.

Die Muglin Mall

Die Mühle stammt aus dem 17. Jahrhundert und ist die älteste noch funktionierende Getreidemühle der Schweiz. Der Murainza-Bach und der Kanal treiben die Mühle an. Der Komplex ist auch ein Museum.

Die Handweberei Tessanda

Die Handweberei ist ein traditioneller Wirtschaftszweig des Tals. Bis 1900 besass fast jeder Bauernhof einen Webstuhl. Tessanda wurde im Jahr 1928 gegündet. Heute arbeitet die Weberei mit 26 Webstühlen, die nur mit menschlicher Kraft betrieben werden. Die Maschinen sind zwischen 40 und 120 Jahre alt.

Sie beschäftigt 9 Weberinnen, 3 Näherinnen, 4 Personen im kaufmännischen Bereich und verfügt über 3 Ausbildungsplätze. Die Weberei fertigt im Auftrag und in Eigenproduktion für den Export und die Schweiz. Sie ist die älteste erhaltene Handweberei dieser Grösse in der Schweiz.

Valchava

Die Biblioteca Jaura

Die Bibliothek in der Chasa cumünala ist mehr als eine Sammlung von Büchern und Zeitschriften. Sie ist ein Dokumentationszentrum über den Jauer und die im Südtirol und in der Lombardei gesprochenen Dialekte, die Geschichte dieser Region und den jahrhundertelangen (kulturellen) Austausch und die regionalen Beziehungen. Der Schriftsteller Tista Murk (1915-1992) gründete das Zentrum 1984 und vermachte ihm sein umfangreiches Archiv und seine Sammlung.

Hans-Peter Schreich, ehemaliger Pfarrer in Valchava, hat es  zu einer weitgehend digitalisierten Sammlung von 5 000 Büchern, 40 Zeitschriften, Tausenden von Fotos und Dias ausgebaut. Die Biblioteca Jaura ist  ein  Teil des Museumsverbands Chasa Jaura.

Etwa 10% der Bücher sind älter als 1900, darunter die Vallader Bibel von 1679, gedruckt in Scuol ! Später wurde die Druckerei nach Strada verlegt.

 Chasa Jaura, Museum-Art-Cultura

Das Museum widmet sich der Geschichte, Kunst und Kultur des Tals und organisiert regelmässig Veranstaltungen und Ausstellungen.

Müstair

Die ursprüngliche Wortbedeutung von Müstair ist Kloster. Damit ist das Kloster St. Johann (Claustra Son Jon) das Aushängeschild und der Namensgeber des rund 700 Einwohner zählenden Dorfes und des ganzen Tals.

Korrektorin: Eva Maria Fahrni