Residenzpalast Rastatt. Foto/Photo: TES

Der spanische Erbfolgekrieg, Utrecht, Rastatt, Baden und Katalanen

Was haben Utrecht, Rastatt (Baden-Württemberg) und Baden (Kanton Aargau) gemeinsam? Diese Städte spielten nicht nur eine wichtige Rolle in der Verfassungsgeschichte der Niederlande, der Bundesrepublik Deutschland bzw. der Schweiz.

In den Jahren 1713 und 1714 fanden in diesen Städten nacheinander die wichtigsten (bilateralen) Verträge zur Beendigung des Spanischen Erbfolgekriegs (1701-1713) statt. Es folgten danach noch mehrere abschliessende Verträge in Den Haag, Madrid und Antwerpen.

Im Spanischen Erbfolgekrieg ging es um die spanische Krone (und die Herrschaft über die südlichen Niederlande, die norditalienischen Territorien, Sizilien, Neapel und die Kolonien).

Europa um 1700. Bild: Wikipedia

Karl II. (1661-1700), König von Spanien und seines (kolonialen und europäischen) Reiches, war der letzte spanische Habsburger. In seinem Testament hatte er Philipp von Anjou (1683-1746), einen Enkel Ludwigs XIV. (1638-1715), zu seinem Nachfolger ernannt.

Philipp wurde daraufhin am 1. November 1700 als spanischer König Philipp V. vereidigt. Neben der spanischen Krone spielte auch das komplexe Kräftefeld der vielen souveränen Staaten des Heiligen Römischen Reiches, der vielen verstreuten habsburgischen Besitzungen und vor allem der überseeischen Kolonien eine Rolle.

Leopold I. (1640-1705), Joseph I. (1678-1711) und sein Nachfolger Karl VI. (1685-1740), die habsburgischen Kaiser des Heiligen Römischen Reiches in dieser Zeit, erhoben jedoch ebenfalls Anspruch auf den Thron, und auch andere Länder, allen voran England und die Republik (die unter König Wilhelm (William) und Stadthalter Wilhelm (Willem) III. (1650-1702) in Personalunion vereint waren), akzeptierten ihn nicht.

Godfrey Keller (1646-1723), König Wilhelm (William) von England und Stadthalter Wilhelm (Willem) III der Republik. Sammlung National Galleries Scotland. Foto: Wikipedia

Sie fürchteten eine spanisch-französische Vorherrschaft. Die Erfahrungen mit der aggressiven Expansionspolitik des Sonnenkönigs gaben dazu allen Anlass.

Der Spanische Erbfolgekrieg wird auch als Erster Weltkrieg bezeichnet, der wegen der Kolonien auch auf anderen Kontinenten, insbesondere in Kanada und Südamerika, ausgetragen wurde. Dieser Aspekt wird im Folgenden ausgeklammert.

Erwähnenswert ist jedoch der Aufstieg eines Geschlechts, das im Zweiten Weltkrieg (1939-1945) zum Retter Europas und der Zivilisation wurde. John Churchill (1650-1722), der Herzog von Marlborough, war einer der erfolgreichen Heerführer der antifranzösischen Koalition. Als Anerkennung erhielt er Blenheim Palace, den Geburtsort von Winston Spencer Churchill (1874-1965).

Pieter Schenk (1693-1775), John Churchill, Duke of Marlborough, um 1700, nach einem Gemälde von Godfrey Keller. Sammlung Rijksmuseum Amsterdam (RP-P-1905-254). Bild: Wikipedia

Nach Jahren des Krieges mit wechselnden Kriegsaussichten und mehreren gescheiterten Friedenskonferenzen waren die Parteien 1713 bereit, Frieden zu schliessen. Solche Konferenzen fanden an Orten statt, die politisch, logistisch und in Bezug auf Status, Komfort und Unterkunft für den höchsten Adel und Hunderte von Diplomaten geeignet und sicher waren.

Utrecht war die Hauptstadt der Provinz Utrecht, einer der sieben souveränen Provinzen der Republik der Vereinigten Niederlande (1581) und Namensgeberin der Union von Utrecht (1579).

Diese Republik war 1648 als souveräner Staat anerkannt worden (Vertrag von Münster) und befand sich seitdem in einem ständigen Kriegszustand mit Frankreich und gelegentlich mit der Seemacht England (als Ad-hoc-Verbündeter Frankreichs).

Die Wahl von Utrecht als Ort der ersten Konferenz wurde vor allem von seiner Lage bestimmt, d. h. wegen der guten Erreichbarkeit der wichtigsten militärischen und politischen Protagonisten Frankreich, England und des Kaisers.

Karte der Republik der Sieben Vereinigten Niederlande. Druck aus Johann Baptista Homann, Atlas novus Terrarum Orbis Imperia, Regna et Status, Nürnberg, um 1720. Sammlung Rijksmuseum Amsterdam (RP-P-AO-1-51. B). Bild: Wikipedia

Ausserdem war die Rolle der Republik auf dem Kontinent nach dem Goldenen Zeitalter und den aufreibenden Kriegen zu Wasser und zu Land gegen England und Frankreich ausgereizt, oder, wie es der französische Diplomat Melchior de Polignac (1661-1741) ausdrückte: „Wir verhandeln über Sie, bei Ihnen und ohne Sie“.

Wie dem auch sei, Frankreich und England schlossen am 11. April 1713 den Vertrag von Utrecht. In Wirklichkeit handelte es sich um mehrere bilaterale Friedensverträge zwischen Frankreich und England, Frankreich und der Republik, Frankreich und Preussen, Frankreich und Portugal und Frankreich und Savoyen.

Philipp V. blieb König von Spanien, wenn auch nicht in einer Personalunion mit Frankreich. Grossbritannien erhielt die Souveränität über Gibraltar und einige französische Gebiete in Kanada; die südlichen Niederlande, die norditalienischen Gebiete, Sardinien (später gegen Sizilien ausgetauscht) und Neapel blieben oder kamen zu Österreich. Savoyen erhielt Sizilien, das später gegen Sardinien getauscht wurde. Die portugiesische Herrschaft über Brasilien und Uruguay wurde anerkannt, und die Niederlande erhielten vor allem Handelskonzessionen und Garnisonen in den südlichen Niederlanden.

Der Kaiser akzeptierte dies jedoch nicht und setzte den Krieg fort (ohne England, die Republik und andere Verbündete). Er verlor und dies war der Anlass für die Friedenskonferenz in Rastatt zwischen Frankreich und Österreich.

Residenzschloss Rastatt. Jupiter und seine Blitze in Richtung des nahen Frankreich

Das prächtige Barockschloss in Rastatt war seit 1705 die Residenz des Markgrafen des (katholischen) Baden-Baden. Dieses Gebiet war ein wichtiger Puffer zwischen Frankreich und den habsburgischen Besitzungen in Deutschland und Schauplatz vieler kriegerischer Auseinandersetzungen und Leiden während der Zeit Ludwigs XIV.

Der Markgraf hatte traditionell familiäre Beziehungen zu den höchsten europäischen Kreisen und Rastatt lag zwischen Paris und Wien und anderen habsburgischen Besitzungen. Ausserdem konnte die neue Barockresidenz die Franzosen und die habsburgischen Österreicher begeistern. Am 7. März 1714 wurde der Friedensvertrag zwischen Österreich und Frankreich geschlossen.

Rekonstruktion der Verhandlungen mit Karte im Schloss Rastatt

Philipp V. wurde von Österreich zu den gleichen Bedingungen wie im Vertrag von Utrecht als König anerkannt, Österreich behielt seine italienischen Besitzungen und ausserdem war die Amnestie für die Katalanen, die sich im Konflikt auf die Seite Habsburgs gestellt hatten, ein Thema (!). Auch andere Fragen wurden erörtert, darunter Reparationen für Verbündete und die Rückgabe eroberter Gebiete.

Eine Komplikation war jedoch die verfassungsmässige Organisation des Heiligen Römischen Reiches: Der Kaiser benötigte die Zustimmung des Reichstages. Dies war der Anlass für die Konferenz in Baden.

Baden war eine katholische Stadt im Aargau und seit 1415 ein Untertanengebiet der von Habsburg eroberten Eidgenossenschaft. Bis 1712 trafen sich Delegierte aus den Kantonen der Eidgenossenschaft in der Tagsatzung in Baden.

1712 stellte sich das katholische Baden jedoch im zweiten Villmergerkrieg (der erste fand 1656 statt) auf die Seite der katholischen Kantone. Die protestantischen Kantone gewannen, Baden verlor, und die Tagsatzung fand ab 1712 in Frauenfeld statt (Kanton Thurgau, ebenfalls ein Untertanengebiet und 1460 erobert).

Baden wurde dennoch die Wahl für den abschliessenden Friedensvertrag zwischen Frankreich und Österreich. Grund dafür war vor allem die Neutralität der Eidgenossenschaft, die im Westfälischen Frieden 1648 als unabhängiger Staat von 13 souveränen Kantonen anerkannt worden war.

Baden, zwischen Wien und Paris gelegen, war ausserdem ein bekannter Bade- und Kurort und seit Jahrhunderten (d.h. bis 1712) Tagungsort der Tagsatzung und ihrer mehreren Hundert Diplomaten aus Kantonen und dem Ausland. Zudem lag sie nicht weit von Solothurn, der Residenz des französischen Botschafters bei der Eidgenossenschaft.

Obwohl die wichtigsten Beschlüsse bereits gefasst waren und es in erster Linie um den Abschluss des französisch-österreichischen Friedensvertrags ging, waren immer noch etwa 60 Delegationen aus allen Teilen des Heiligen Römischen Reiches und Europas anwesend, aus Savoyen, Venedig, Stockholm, Den Haag, Madrid, Berlin, Speyer, Äbte und Bischöfe und andere Würdenträger, die alle ihre eigenen Interessen und Ansprüche vertraten, kurzum, es war ein europäischer diplomatischer Kongress.

Er endete am 7. September 1714 mit dem Frieden von Baden. Das Machtgleichgewicht war wiederhergestellt, bis 1756. Auf jeden Fall war die Ära der Religions- und Dynastiekriege im 18. Jahrhundert (fast) vorbei; am Ende des 18. Jahrhunderts und im 19. Jahrhundert dienten sich jedoch andere Konflikte an. Die Schweiz blieb diesmal nicht verschont.

(Quelle: R. de Bruin, M. Brinkman (Red.), Friedensstätte. Die Verträge von Utrecht, Rastatt und Baden 1713-1714, Petersberg, 2013)

Korrektorin: Giuanna Egger-Maissen

PS: Siehe auch die Ausstellung ‚Die Badische Revolution 1848/49′ im Wehrgeschichtlichen Museum Rastatt.

Schloss Rastatt

Barock

Mit Rokoko-Elementen

   

Markgraf von Baden-Baden Ludwig Wilhelm (Türkenlouis, 1655-1707), Bauherr des Schlosses (1705). Sammlung Schloss Rastatt