Fürst Anton Florian I. von Liechtenstein (1656-1721), Unbekannter Meister. The Princely Collections, Vaduz–Vienna, Inv.-Nr. GE 1170. Foto: © Liechtensteinisches LandesMuseum, Vaduz

Liechtenstein. Die letzte deutschsprachige Monarchie.

Liechtenstein ist die letzte deutschsprachige Monarchie. Bis zu Napoleon und der Auflösung des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation im Jahr 1806 gab es noch etwa 300 kleine bis sehr grosse deutschsprachige Fürstentümer.

Vor dem 19. Jahrhundert gab es in Liechtenstein keine Verfassung im eigentlichen Sinne des Wortes. Das Gewohnheitsrecht und einzelne Dokumente, wie die Dienstinstruktion von 1719, regelten jedoch die Funktionsweise der Regierung und die Rechte der Bürger*innen. Dies lag auch an der engen Anbindung an das Reichsrecht des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation.

Kaiser Karl VI. (1685–1740) vereinigt 1719 die Grafschaft Vaduz und die Herrschaft Schellenberg und erhebt sie zu einem Reichsfürstentum mit dem Namen Liechtenstein. Sammlung: Liechtensteinisches LandesMuseum.  Inv. Nr. UR 1719.01.23.1, Foto: © The Princely Collections, Vaduz – Vienna.

Eine kurze Geschichte Liechtensteins

Im Laufe des 15. Jahrhunderts entstanden auf dem Gebiet des heutigen Liechtensteins zwei Landschaften: Vaduz und Schellenberg. Diese erlebten eine ähnliche Entwicklung wie die Landsgemeinde in der Schweiz (siehe Swiss Spectator unter Verfassung, Demokratie und Kantone).

Das höchste Gremium war die Landschaftsversammlung. Die Landschaft war auch für militärische Angelegenheiten zuständig. Im Mittelpunkt stand dabei die Reichsunmittelbarkeit. Dies bedeutete ein hohes Mass an Autonomie im Heiligen Römischen Reich, in dem nur die kaiserliche Obrigkeit als übergeordnete Macht fungierte.

Bis zum Ende des 17. Jahrhunderts bestand Liechtenstein aus der Grafschaft Vaduz und der Herrschaft Schellenberg, den beiden Territorien der Landschaften. Sie unterlagen der kaiserlichen (Steuer-)Gesetzgebung und den obersten Gerichten in Wien (Hofrat) und Speyer und später Wetzlar (Reichskammergericht). Ansonsten waren sie jedoch weitgehend unabhängig.

Dienstinstruktion 1719, Titelseite.  Sammlung: The Princely Collections, Vaduz–Vienna, Inv. Nr. UR 1719.01.23.1, Foto: © Liechtensteinisches LandesMuseum. 

Nach der Gründung des Fürstentums Liechtenstein in den Jahren 1699-1712 erliess der erste Herrscher, Fürst Anton Florian von Liechtenstein (1656-1721), am 10. April 1719 eine Dienstinstruktion, in der die ersten Schritte für das Funktionieren des Staates und die Rechte der Bürger*innen festgelegt wurden. Die Landschaften und ihre Rechte blieben unangetastet.

Nach dem Ende des Alten Reiches im Jahr 1806 wurde jedoch 1808 eine neue Dienstanweisung erlassen, die die Landschaften abschaffte und die Rolle und Beteiligung der Bürger*innen einschränkte.

Landständische Verfassung 1818 § 1 bis § 4. Sammlung: The Princely Collections, Vaduz. Foto: © Liechtensteinisches LandesMuseum. 

Die reaktionäre Verfassung von 1818

Als Liechtenstein 1815 nach der Niederlage Napoleons und als Folge des Wiener Kongresses (1814-1815) dem Deutschen Bund beitrat, war das Fürstentum verpflichtet, eine Verfassung einzuführen.

Fürst Johann I. von Liechtenstein (1760-1836) unterzeichnete die Verfassung am 9. November 1818. Es gab weder politische Rechte für die Bürger*innen noch eine parlamentarische Vertretung. Der Fürst war der einzige Inhaber der Staatsgewalt. Diese Verfassung entsprach nicht den alten Rechten der Landschaften. Sie war eine reaktionäre Verfassung und spiegelte die Allmacht des Monarchen wider.

Die gescheiterte Revolution von 1848-1849

Die deutsche Revolution von 1848/1849 wirkte sich auch auf das Fürstentum Liechtenstein aus. Auch im Fürstentum gab es Unruhen und die Untertanen forderten eine moderne Verfassung und mehr Rechte. Mit dem Scheitern der deutschen Revolution und der Reaktion scheiterte jedoch auch die Initiative für eine neue Verfassung.

Rheinbrücke zwischen Bendern (Liechtenstein) und Haag (schweiz). Kolorierter Stich. Festgabe zur Erinnerung an die Eröffnungsfeier am 24. Mai 1868». Gr 0182. Liechtensteinisches LandesMuseum. Foto: Sven Beham

Verfassung 1862

Der neue Fürst Johann II. von Liechtenstein (1840-1929) verzichtete jedoch 1862 auf seine absolutistische Macht. Diese Verfassung entsprach der damaligen Verfassungsnorm im Deutschen Bund. Kern der Verfassung war nach wie vor die Staatsgewalt des Fürsten, nun aber ergänzt durch einen parlamentarischen Landtag. Mit dieser Verfassung wurden auch zum ersten Mal Grundrechte für die Bürger*innen eingeführt.

Verfassung 1921

Mit der Bildung politischer Parteien in Liechtenstein wurde der Ruf nach einer Reform des monarchischen Staatswesens laut. Nach dem Zusammenbruch der Monarchie in Deutschland und Österreich im Jahr 1918 war die absolutistische monarchische Idee nicht mehr haltbar.

Am 5. Oktober 1921 wurde die moderne Verfassung von Fürst Karl von Liechtenstein (1878-1955) unterzeichnet. Die Verfassung definiert das Fürstentum Liechtenstein als eine konstitutionelle Erbmonarchie auf demokratischer und parlamentarischer Grundlage. Unter anderem wurden nach dem Vorbild der Schweiz das Referendum und die Volksinitiative eingeführt.

Liechtenstein strebte auch enge wirtschaftliche und monetäre Beziehungen zur Schweiz an. Liechtenstein war damit nicht allein. Der österreichische Vorarlberg wollte 1919 sogar der Schweizerischen Eidgenossenschaft beitreten. Die protestantischen Kantone hielten jedoch einen weiteren (konservativen) katholischen Kanton für keine gute Idee.

Der Fürst blieb zwar Staatsoberhaupt und zuständig für die Repräsentation des Landes und die Aussenpolitik mit einigen weiteren (Veto-)Rechten, die Ernennung von Regierungsmitgliedern und die Gesetzgebung waren jedoch nur mit Zustimmung des Parlaments möglich.

Silvia Abderhalden und Albert Mennel, Staatsfeiertag, 15.  August 2021, «Architektur für eine Nacht», SchlossVaduz.  Gestaltung Peter Rezac, Konzept Fabian Reuteler. Foto: Liechtensteinisches LandesMuseum. The Princely Collections, Vaduz

Diese Verfassung ist die Grundlage des liechtensteinischen Rechtsstaates und der parlamentarischen Demokratie und feiert in diesem Jahr ihr hundertjähriges Bestehen.

Damit ist die Diskussion aber noch nicht beendet. Diskutiert werden insbesondere das Vetorecht des Fürsten, seine Befugnis, den Landtag aufzulösen und in dringenden Fällen per Dekret zu regieren (Notrecht) sowie seine Kompetenz und aktive Rolle in der Aussenpolitik.

Das derzeitige Staatsoberhaupt, Hans Adam II. von Liechtenstein (1945), und die Bürgerinnen und Bürger befinden sich seit seinem Amtsantritt 1989 in einem ständigen Dialog bzw. Konflikt über diese Befugnisse.

(Quelle und weitere Informationen: LandesMuseum Liechtenstein).

Korrektorin: Petra Ehrismann

Vaduz, Liechtensteinisches LandesMuseum