Schanfiggtal. Foto/Photo: TES

Lenzerheide, Arosa und Tschiertschen.

Die alte Bischofsstadt Chur liegt in der Nähe von Reichenau, wo sich der Hinterrhein und der Vorderrhein als Alpenrhein im Rheintal bis zum Bodensee fortsetzen. Chur ist auch der Verkehrsknotenpunkt in Richtung Arosa, Lenzerheide, Disentis/Mustér und dem schönsten Dorf der Schweiz und Liechtensteins: Tschiertschen.

Der weg nach Arosa

Von Chur nach Arosa

Das Schanfigger Tal führt von Chur nach Arosa. Seine erste schriftliche Erwähnung ist Scanavico aus dem Jahr 765. Auch die Dörfer Lüen (1084), Castiel (1132), St. Peter (831), Pagig (1160) und Calfeisen (1156) sind alte Dörfer, in denen bis ins 16. Jahrhundert romanisch gesprochen wurde.

Von Davos, einem Walserdorf, wanderten im 13. und 14. Jahrhundert Walser über den Strelapas ins Schanfigg ein. Sie gründeten u.a. Arosa und Langwies.

Mit dem Aussterben der lokalen Adelsherren (1338 die Freiherren von Vaz und 1436 die Grafen von Toggenburg) entstanden auch in diesem Gebiet autonome Gerichtsgemeinden.

      

Einige Dörfer im Schanfiggtal

Arosa und die anderen Dörfer gehörten zur Gerichtsgemeinde Davos (ebenfalls ein Walserdorf), dem Hauptort des Zehngerichtenbundes (1436). Langwies war selbst eine Gerichtsgemeinde. St. Peter gehörte zur Gerichtsgemeinde (Ausser)Schanfigg, war aber der Sitz der Landsgemeinde des Schanfigger -Tals.

Der Zehngerichtenbund schloss 1450 einen Vertrag mit dem Gotteshausbund (gegründet im Jahr 1367) und 1470 mit dem Grauen oder Oberen Bund (gegründet im Jahr 1395). Die Gerichtsgemeinden blieben bis zu ihrer Auflösung im Jahre 1798 eigenständig (waren von ihrem formalen Status her jedoch Teil des Heiligen Römischen Reiches bis zum Westfälischen Frieden 1648).

Abgesehen von der Reformation ab 1530 und den Verwüstungen im Jahr 1622 während der Bünder Wirren (1619-1639) änderte sich politisch, sozial und wirtschaftlich wenig an der überwiegend ärmlichen landwirtschaftlichen Existenz der meisten Bewohner.

Es folgten die französische Besatzung 1798, die Auflösung des Freistaats der Drei Bünde, die Gründung der Helvetischen Republik (1798-1803), der Eidgenossenschaft (Mediationsakte) und des Kantons Graubünden (1803-1813), die neue Eidgenossenschaft 1815 und schliesslich die neue Verfassung von 1848.

Arosa (mit damals nur 56 Einwohnern) wurde 1851 eine unabhängige Gemeinde. Doch der Tourismus veränderte Arosa in den folgenden Jahrzehnten stark. Das Dorf entwickelte sich zu einem bekannten Wintersport- und Tourismusort.

 

Arosa heute

Das erste Hotel öffnete 1877 seine Pforten, 1888 folgte das erste Sanatorium. Seit 1914 verkehrt die Bahn zwischen Chur und Arosa. Die Strecke führt über einen 264 langen und 62 hohen Viadukt bei Langwies. Die Rhätische Bahn bewältigt diese Bahnstrecke von Chur nach Arosa mit einer Höhendifferenz von 1’145 Metern in einer Stunde Fahrzeit!

Der Viaduct bei Langwies

Die Autostrasse war bereits 1890 fertiggestellt worden, wurde jedoch vom Kanton erst ab 1925 für den Autoverkehr freigegeben. Als Folge dieser Entwicklung hatte Arosa im Jahre 1930 über 3 300 Einwohner, fünfzigmal mehr als ein halbes Jahrhundert zuvor!

Die Fahrt von Chur nach Arosa durch das Schanfigg-Tal, ob mit dem Auto, dem Zug, dem Fahrrad, dem Motorrad oder zu Fuss, lohnt sich zu jeder Jahreszeit. Die anderen Dörfer des Tals haben weit weniger vom Tourismus profitiert, was jedoch ein Segen ist für die Erhaltung der alten Gebäude. Heute sind alle Dörfer des Tals in die Gemeinde Arosa eingemeindet.

Das Schanfiggtal

Der Weg nach Lenzerheide

Lenzerheide, Malix en Churwalden

Lenzerheide hat eine ähnliche Geschichte wie Arosa. Ein ehemals kleines Walserdorf an der Strasse nach Tiefencastel, dessen Leben und Aussehen ab Mitte des 19. Jahrhunderts durch den Tourismus grundlegend verändert wurde.

Lenzerheide heute

Der Heidisee bei Lenzerheide

Kulturgeschichtlich interessanter ist jedoch der Weg nach Lenzerheide. Im 13. und 14. Jahrhundert siedelten hier auch die Walser. Das alte Kloster (9. Jahrhundert) und Abthaus (15. Jahrhundert) in Churwalden, die Burgruine (um 1150) der Freiherren von Vaz in Malix oder jenseits der Lenzerheide das Val/Obervaz sind einige kunstgeschichtliche bzw. landschaftliche Höhepunkte.

Tschiertschen, Pagguss und Praden

Die Strasse nach Lenzerheide birgt aber noch ein weiteres Geheimnis: Die Abzweigung zum Dorf Tschiertschen ist die Strasse zum „schönsten Dorf der Schweiz“. Das Dorf Pagguss an der Paggussschlucht beherbergt zudem die Hotelfachschule EHL.

Die EHL Hotelfachschule.

 

Die Pagguss-Schlucht

Die Burg bei Malix

Kloster Churwalden

Klooter und Abtshaus Churwalden rund 1900. Johann Rudolf Rahn  (1841-1912),  Zentralbibliothek Zürich, Graphische Sammlung und Fotoarchiv

Tschiertschen ist unter anderem für seine romanisch-gotische Kirche aus dem 14. Jahrhundert bekannt. Das Dorf war Teil des Bistums Chur. Das Nachbardorf Praden teilte sich lange Zeit Kirche und Friedhof mit Tschiertschen, doch gehörte Praden politisch zur Gerichtsgemeinde Langwies und Tschiertschen zur Gerichtsgemeinde Churwalden des Zehngerichtenbundes.

Tschiertschen

Als weitere geschichtliche Besonderheit ist Folgendes zu erwähnen: Obwohl die Reformation im Jahre 1540 stattfand, offenbar nach einer Abstimmung unter den Bürgern, durfte der Pfarrer bis an sein Lebensende seines Amtes walten. Erst dann wurde ein Prediger eingesetzt! Die beiden Dörfer gehörten zu verschiedenen Gerichten in Langwies und Churwalden, teilten sich aber die Kirche und den Friedhof in Tschiertschen.

Eine Pestepidemie im Jahr 1627 veranlasste einen Teil der wohlhabenden Churer Bürger, 1629 ins abgelegene Tschiertschen zu fliehen. Die Opfer der Pest in Praden wurden im gemeinsam genutzten Friedhof in Tschiertschen begraben, was die Flüchtlinge aus Chur wegen der Ansteckungsgefahr verhindern wollten.

Praden

Praden baute um 1630 mit dem Geld der Churer Bevölkerung eine eigene Kirche und einen eigenen Friedhof. Tschiertschen war damit aus finanziellen Gründen nicht einverstanden. Schliesslich beteiligte sich Praden nicht mehr an den Kosten für die Kirche in Tschiertschen. Es folgte ein Rechtsstreit mit den Gerichten Langwies und Churwalden, einem Obergericht in Davos und einer Schiedsstelle in Chur.

Die Gerichtsverfahren dauerten bis 1762! Dann entschied das Gericht in einem Endurteil, dass jeder Haushalt in Praden jährlich ein Füederli (ein Stück Brennholz) an das Pfarrhaus in Tschiertschen zu liefern habe. Tatsache ist , dass es beide Kirchen noch gibt, eine im „schönsten Dorf der Schweiz“ und eine in Praden.

(Quelle und weitere Informationen: Arosa und Lenzerheide; M. Domann, G. Jäger, Die Kirche von Tschiertschen, Tschiertschen, 2014)

Korrektorin: Eva Maria Fahrni