Buochs. Foto/Photo: TES

Buochs, Demokratie und die Niederlande

Was haben das kleine Dorf Buochs (Kanton Nidwalden), Demokratie und die Niederlande miteinander zu tun? Auf den ersten Blick nicht viel. Aber der Schein kann trügen. Nicht nur waren Louis Wyrsch oder Borneo Louis (1793-1858) und sein Sohn Alois (Louis) Wyrsch (1825-1888) viele Jahre lang in den Niederlanden und Niederländisch-Indien beschäftigt. Auch der andere Sohn von Borneo Louis, Jakob Konstantin Wyrsch (1842-1933), machte eine internationale Karriere.

Buochs, Evangelische Kirche, Grabstein von Louis Wyrsch (Borneo Louis)

Buochs, evangelische Kirche, Grabstein von Alois (Louis) Wyrsch

Buochs und die sogenannte Urschweiz (die Kantone Uri, Schwyz, Obwalden und Nidwalden) sind heute auch ein demokratischer Spiegel für die Niederlande.

Buochs ist Geburtsort  des Malers Johann Melchior Wyrsch (1732-1798). Es ist auch sein Sterbeort, da er leider durch französische Soldaten im Jahr 1798 hingerichtet wurde. Frankreich war 1798 in die Eidgenossenschaft eingefallen, nachdem es bereits 1792 einen Teil des ehemaligen Bistums Basel annektiert hatte.

Die französischen Truppen eroberten Beckenried, Stans und Stansstad ohne grossen Widerstand. In Buochs kam es jedoch zu heftigen Kämpfen und sie töteten aus Rache viele Einwohner.

Pfarrkirche St. Martin und Pfarrhof

Johann Melchior Wyrsch, damals ein im In- und Ausland anerkannter Maler, wollte schlichten, wurde aber gnadenlos erschossen. Das Dorf ehrt ihn mit einer Statue. Das Nidwalder Museum widmet dem Künstler ausserdem bis zum 29. September 2024 eine Ausstellung.

Buochs, Bildhauer Hans von Matt (1899-1985), Standbild von Johann Melchior Wyrsch

Die Dörfer und Kantone am Vierwaldstättersee sind nicht nur für die Entstehung der heutigen Schweiz und ihrer einzigartigen direkten Demokratie von grosser Bedeutung.

Die Grandeur der Orte und die internationale Vernetzung vieler Einwohnerinnen und Einwohner zeugen auch von der wirtschaftlich und kulturell weltoffenen Vergangenheit und Gegenwart. Erst kürzlich fand auf dem Bürgenstock eine grosse internationale Konferenz statt.

Zu Unrecht wird diese Region in der Schweiz von gewissen Kreisen oft als „nationalistisch“, „rückständig“ oder „primitiv“ bezeichnet.

Beckenried

Politisch ist die Region  eher konservativ, aber gerade das ist ein gutes Gegengewicht zu dem oft opportunistischen und meist moralischen Überlegenheitsdenken bestimmter Kreise in den urbaneren Kantonen.

Die Urschweiz, das hat sie seit 1291 gegen Habsburg, Burgund, Frankreich, die italienischen Herzöge und die deutschen Kaiser und andere Führer bewiesen, hat keine Angst. Auch ihre Einwohner hatten auf allen Kontinenten Handel getrieben, studiert oder Krieg geführt.

Der politische Kompass dieser Urschweiz verdient mehr Respekt, auch in der Schweiz, auch wenn die Ergebnisse der direkten Demokratie und des Ständemehrs nicht allen gefallen.

Buochs

Schliesslich gibt es immer noch das oberste Bundesgericht, das in offensichtlichen Fällen von „Konservatismus“ (z.B.Appenzell Innerrhoden 1990) korrigieren kann.

Wird der allfällige neue Vertrag mit der Europäischen Union nicht dem obligatorischen Referendum unterstellt, begibt sich die Schweiz auf das (niedrige) politische Niveau der Niederlande, mit allen Konsequenzen.

Genf, Referendum, September 2022

So hat sich 2005 in den Niederlanden in einem Referendum über die Europäische Union eine überwältigende Mehrheit (62% gegen 37%) gegen eine weitere europäische Integration ausgesprochen.

Dies geschah nicht, weil diese Mehrheit gegen eine Europäische Union ist, sondern weil sie sich gegen  das Fehlen eines relevanten Mitspracherechts bei den wichtigsten Entscheidungen und Themen in dieser Europäischen Union ausspricht.

Dazu gehören u.a. der Euro und die bodenlose Transferunion, ein aktivistischer europäischer Richter und eine politisch geprägte Europäischen Zentralbank, unkontrollierte Einwanderung und offene Grenzen, immer mehr Eurokratie, Korruption und Schulden, immer weniger Demokratie, Transparenz und politische Verantwortlichkeit auf nationaler und europäischer Ebene.

Es war das erste nationale Referendum überhaupt. Bis dahin hatten die Bürgerinnen und Bürger noch nie die Möglichkeit gehabt, über die Entwicklung dieser Europäischen Union mitzubestimmen.

Bei nationalen und europäischen Wahlen war und ist die Europäische Union nie ein Thema, obwohl dann die weitreichendsten Entscheidungen getroffen werden – angeblich alternativlos – welche für die Bürgerinnen und Bürger einschneidende Konsequenzen haben.

Die Wahlbeteiligung lag bei fast 70 %, normalerweise sind es bei Europawahlen 30-40 %. Die Reaktion von Politikern, Medien, Wissenschaftlern und Bürokratie: Abschaffung des Referendums und Ignorieren des Ergebnisses.

„Hochgebildet“ sagt nichts über Mentalität, Weisheit und Integrität aus, und auch vermeintlich „weniger Gebildete“ sind in ihrem Tätigkeitsbereich Gebiet hochgebildet, vor allem in der Schweiz.

Die direkte Demokratie in der Schweiz ist nicht altmodisch, sondern modern und auf das Zeitalter der internationalen, technologischen und sozialen Entwicklungen zugeschnitten. Sie ist ein guter Gradmesser und ein Barometer für die Probleme und Engpässe in der Gesellschaft, die die Politiker nicht ignorieren können, wie es zum Beispiel in anderen Ländern geschieht.

Das heisst nicht, dass die direkte Demokratie ideal ist. Die „Inflation“ der Volksinitiativen und einige Ergebnisse mögen falsch oder manchmal problematisch sein. Aber genau das ist auch die Stärke des föderalen Modells, das auf Subsidiarität und Kompromiss beruht: Am Ende wird immer weiter diskutiert, und das Ergebnis ist in der Regel gut begründet, auch wenn der politische Prozess dadurch manchmal (zu) lange dauert.

Das Rütli

Fazit

Kaiser Heinrich VIII. (1278-1313) des Heiligen Römischen Reiches verlieh 1309 den Orten Uri, Schwyz und Unterwalden den Status einer unabhängigen Gerichtsbarkeit. Uri und Schwyz hatten den Status der Reichsunmittelbarkeit bereits im 13. Jahrhundert erhalten, Unterwalden 1309.

Die Verleihung der unabhängigen Gerichtsbarkeit (d.h. ohne Einmischung der „Fremden Richter„) und der Reichsunmittelbarkeit bzw. des Freistadtstatus für Bergdörfer (!) war einmalig im Heiligen Römischen Reich und ein Zeichen für deren Prestige.

Das städtische Erscheinungsbild dieser Dörfer (oder Flecken) entsprach diesem Status. Auch in der Schweiz könnte es vielleicht ein wenig mehr Wertschätzung für diese Gemeinden geben, auch wenn ihre politische Uhr anders tickt.

(Quelle und weitere Informationen: Gemeinde Buochs, Gemeinde Beckenried, Gemeinde Stansstad)

Impressionen von Buochs

Impressionen von Stansstad