Der Morgestraich. Foto: TES

Die Basler Fasnacht

Die alte Bischofsstadt Basel hatte bereits eine Fasnachtstradition, bevor der Kanton 1501 der Eidgenossenschaft bzw.der Konföderation beitrat. Der Schwabenkrieg (oder Engadinerkrieg, je nach Sichtweise) im Jahr 1499 war der entscheidende Moment für das damals katholische Basel. Der mächtige Fürstbischof und seine adligen Domherren waren jedoch eng mit dem Heiligen Römischen Reich und seinen (habsburgischen) Eliten und Kaisern verbündet.

Protestantismus

Die Reformation in den Jahren 1527-1529 beendete jedoch ihre Präsenz und führte den protestantischen Glauben ein. Der Protestantismus vertrug sich nicht gut mit einem katholischen Volksfest. Ein Verbot im Jahr 1546 wurde aber ignoriert, und die Fasnacht (das Fest hiess früher Fastnacht und bezog sich auf die katholische Fastenzeit) verschwand nicht.

Die Tradition der Basler Fasnacht hat also nicht nur mit der katholischen Religion und der Fastenzeit zu tun. Auch die  städtische Miliz hatte damit zu tun. Ihre Aufgabe war es,  für Ruhe und Ordnung zu sorgen, und sie präsentierte am Montag in den frühen Morgenstunden ihre Waffen.

Auch Julius Caesar marschierte wieder mit seiner Legion unter dem Banner Ave Caesar! durch die Stadt. 

Sie marschierten in Paraden durch die Stadt, begleitet von Tamburinen, Piccolos und Marschmusik, und im Anschluss gab es Maskeraden, Abendessen und (viel) zu Trinken . Diese militärische Facette konnten selbst protestantische Dogmatiker nicht ignorieren. Die Basler Fasnacht blieb bestehen und hat sogar ihren einzigartigen Charakter aus diesem Hintergrund erhalten.

Die Fasnacht von heute

Die (Vor) Fasnacht hat im Laufe der Jahrhunderte viele Veränderungen erfahren. Insbesondere hat sich die heutige Fasnacht aus dem Ende des Ersten Weltkriegs (1914-1918) entwickelt. Die Cliquen (vom Fasnachts-comité anerkannte Vereine und Organisationen, heute ca. 435) und ihre Laternen, Lärchen (Masken) und ihre Attribute und Wagen für den Cortège, die Guggengruppen (Dachorganisation von Basler Guggen-Instrumenten) , vor allem nach 1945), Schnitzelbänke (im Schnitzelbank-comité organisiert) und ihre (milde) Satire und nicht registrierte Einzelpersonen oder Gruppen sind die Akteure (rund 18 000) der Fasnacht.

Montag, am 27. Februar, 03.59

Der Morgestraich 04.00

Der Morgestraich am 27, Februar, ab 04.00

UNESCO-Welterbe

Welche Qualitäten haben diese „protestantische“ Fasnacht zum UNESCO-Welterbe gemacht? Neben den engen sozialen und familiären Strukturen und Beziehungen, die diesem Ereignis zugrunde liegen, sind die schier unerschöpfliche Kreativität, die Musikalität, die prozessionsartige, fast feierliche, aber dennoch fröhliche und ausgelassene Atmosphäre entscheidend. Trotz überfüllter Strassen und enger Gassen finden Teilnehmer und Besucher ihren Weg ohne Probleme und (erhebliche) Zwischenfälle.

Die freie Kunst

Heute spiegelt sich die jahrhundertealte Tradition der Miliz in den Paraden, der Disziplin und der Marschmusik mit Tamburinen und Piccoloflöten durch die Stadt wider. Die humorvolle und (meist) milde Satire der Cliquen und der Schnitzelbänkler artikuliert aktuelle lokale, nationale und globale Themen. In diesem Jahr ging es vor allem um Klima, Energie, Genderfragen, Woke, FIFA und natürlich um (Lokal-)Politik.

Die Elisabethenkirche am 26. Februar, die Schnitzelbänklerinnen 

und Schnitzelbänkler

Theater und Musik im öffentlichen Raum

Fasnacht ist Kunst, Theater, Musik und Satire im öffentlichen Raum, auf Strassen und Plätzen, in Cafés, Restaurants, Theatern und an anderen Veranstaltungsorten. Dies zeigt sich auch in der Trennung zwischen den Akteuren (den Fasnächtlern und Fasnächtlerinnen) und dem Publikum, den Zuschauern. Das Publikum nimmt nicht an den Aufführungen teil, sondern ist nur ein (willkommener) Zuschauer. Das ist auf der Bühne in einem Theater oder Konzertsaal nicht anders.

Drümmeli, Schnitzelbänkler und Schnitzelbänklerinnen 

Selbstzensur ist bei dieser Veranstaltung ein Fremdwort. An der Fasnacht gelten nach wie vor die Prinzipien der Eigenverantwortung. Man respektiert die Grenzen des guten Geschmacks und des Rechts.Es zählt der Kontext und nicht die Wahrnehmungen und (willkürlichen) Vorgaben von Aktivisten.

Diese Prinzipien sind schliesslich die Essenz jeder Kunst. Das macht die Basler Fasnacht zu einer Bastion der freien Kunst. Es ist also nicht nur das Datum (eine Woche später als die „katholische“ Fasnacht), das aussergewöhnlich ist. Auch das ehrwürdigste Hotel Basels und seine zweitausend Jahre alten drei biblischen Bewohner bleiben nicht verschont!

Selbstreflexion, Selbstironie und Relativität sind vielleicht die wichtigsten Aspekte dieses Schauspiels im öffentlichen Raum. Die Cliquen und anderen Beteiligten respektieren sich gegenseitig und präsentieren sich mit einem Augenzwinkern. Schliesslich präsentiert die Fasnacht auch nur einen Ausschnitt aus dem Alltag.

Die vielleicht schönsten und eindrücklichsten Momente (abgesehen vom Morgestraich am Montag um 04.00 Uhr) sind das Ablegen der Masken: Alt und Jung, Kind und Erwachsener, Mann und Frau, verschiedene Ethnien, Arm und Reich, Gebildete und Ungebildete treten aus der Anonymität heraus. Dies ist auch der Mehrwert der drei aufeinanderfolgenden Bummelsonntage nach der Fasnacht.

Der Bummelsonntag

Frau Fasnacht und die Pfarrerin in der Elisabethenkirche  

Der Fasnachtsgottesdienst in der Elisabethenkirche symbolisierte dies treffend. Ein verkleidete Vikar mit Maske begleitete Frau Fasnacht zum Altar. Nach der gegenseitigen Begrüssung legte der Vikar jedoch seine Verkleidung ab, und zum Vorschein kam eine Frau.

Schlussfolgerung

Die Fasnacht hat in der alten Bischofsstadt aber nicht nur ein „protestantisches“ Etikett, was Disziplin, Mässigung und Organisation betrifft. Sie ist insgesamt auch schweizerisch geprägt.

Zahlreiche andere grosse und kleine schweizerische Veranstaltungen und Organisationen zeigen die gleichen Qualitäten auf, so zum Beispiel die Fête des Vignerons, das Bundeslager, die Fundaziun Origen, die Schwingertradition oder das Basler Tattoo.

Dies alles erinnert an ein Klischee in einem Cartoon über den Röstigraben: Auf der deutschen Seite der Saane/Sarine steht ein Deutschschweizer mit einem Schild. Darauf steht „Hier wird gearbeitet“; auf der französischen Seite steht ein Westschweizer mit einem Schild mit der Aufschrift „Ici on parle français“. Sie sehen aber genau gleich aus und essen beide Rösti.  Die Basler Fasnacht ist nicht nur einzigartig, sie ist auch schweizerisch.

Impressionen der Fasnacht 2023

Impressies van de optochten 

  

 

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Der Bummelsonntag