Ajoie, nahe Chevenez. Foto/Photo: TES.

Das Schweizer Leben einer Kuh

Die Polarisierung über die Tierhaltung in den Niederlanden hat buchstäblich den Siedepunkt erreicht. Ein Blick über die Grenze ist in dieser Hinsicht immer sinnvoll, insbesondere in die Schweiz.

Volksinitiative

Dank des grossen Engagements der Schweizer Bürgerinnen und Bürger steht das Land an der Spitze, wenn es um die Anforderungen an das Wohlergehen in der Tierhaltung geht, einschliesslich Auslauf, Anzahl, Futter, Ställe, Transport und Schlachtung.

Die Höchstzahl der Tiere, die gehalten werden dürfen, ist bereits gesetzlich festgelegt. Das Maximum liegt bei 300 Rindern, 1 500 Schweinen und 18 000-27 000 Stück Geflügel, je nach Alter. Am 25. September findet ein neues Referendum über strengere Auflagen in der Tierhaltung statt.

Kanton Neuenburg, La Sagne. Foto: TES.

Es handelt sich um eine Volksinitiative der Bürger. Der Bundesrat und das Parlament (Nationalrat und Ständerat) haben sich dazu geäussert. Der Bundesrat könnte  einen Gegenvorschlag machen und diesen dem Volk vorlegen (was in diesem Fall nicht geschehen ist).

Die Schweizer Kuh

Das Leben der Schweizer Kuh sieht mit Subventionen von Kantonen und Bund nicht so schlecht aus. Die Politik ist darauf ausgerichtet, keine Massentierhaltung zuzulassen, um der Gesundheit von Mensch und Tier Rechnung zu tragen, wie auch dem Naturschutz und der relativen Unabhängigkeit der Landwirte von den Banken.

Das bedeutet nicht, dass die Situation ideal ist. Auch in der Schweiz nimmt die industrielle Tierhaltung zu, und es kommt zu Interessenkonflikten zwischen Natur und Wirtschaft, zwischen Landwirten und Stadtbewohnern, aber auch zu Belästigungen und Umweltschäden. Auch der Einsatz von Antibiotika in der Viehzucht und von Pestiziden in der Landwirtschaft ist Gegenstand von Diskussionen und Volksabstimmungen.

Die Politik

Die Frage ist, wie man als Politiker mit diesen Problemen umgeht. Der ständige Dialog zwischen Landwirten, Bürgern und den (lokalen, kantonalen und föderalen) Behörden, der Respekt und das Engagement der Stadtbevölkerung gegenüber den Landwirten und der Natur im Allgemeinen kennzeichnen den Schweizer Ansatz.

Die Ankunft bei der Arena, Basel Tattoo 2022

Serenade ‚le ranz des vaches‚ , Basel tattoo 2022

und der Abzug

Die Stadtbewohner sind sich bewusst, dass die Landwirte das ganze Land seit Jahrhunderten ernähren und dass das Leben auf dem Bauernhof harte Arbeit unter oft schwierigen (Berg-)Bedingungen war und ist.

Im Sommer, zum Beispiel, geht das Vieh in den Berggebieten mit dem Bauern auf die zarten Almen, manchmal bis zur oder über die Baumgrenze, Wetter hin oder her, und es ist nicht immer idyllisch auf 2.000 Metern im Sommer.

Der Bauer wohnt dann in einem „Chalet“, einem kleinen Holzhaus, das im 19. Jahrhundert durch die Touristen zum Oberbegriff für Holzhäuser in der Schweiz wurde. Bei seiner Rückkehr, dem Alpabzug, werden der Bauer und seine Kühe wie Helden empfangen.

Foto: Annelies Ketelaars.

Brigels September 2018. Bilder eines Alpabzugs

Schlussfolgerung

Zwar erwartet das Vieh in der Schweiz am Ende das gleiche Schicksal wie in den Niederlanden, die Schlacht, aber bis dahin hat es (in den meisten Fällen) ein gutes Schweizer Leben, weil die Bürger als Souverän es so wollen und dadurch auch die Behörden mitziehen müssen.

Letztlich ist die Landwirtschaft eine politische Angelegenheit, wie Energie, Gesundheit, Geldpolitik, öffentlicher Verkehr, Bildung oder Wohnungsbau. Das Vieh ist daher für das Funktionieren eines Landes sowohl aus verfassungsrechtlicher als auch aus politischer Sicht von Bedeutung.

Korrektorin: Petra Ehrismann