Naturhistorisches Museum Basel, Replica of the Letter to the Future and the stone of the Okjökull glacier. Photo/foto: TES.

Der Okjökull Brief an die Zukunft

Vor Millionen von Jahren stand ein grosser Teil des europäischen Kontinents unter Wasser. In der letzten Eiszeit, vor nur 15 000 – 10 000 Jahren, lag derselbe Kontinent unter einer dicken Eisschicht.

Die letzte „kleine“ europäische Eiszeit fand zwischen 1430 und der zweiten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts statt.  Damals war es im Durchschnitt 1-2 Grad kälter als heute. In der Römerzeit waren Ägypten und Syrien fruchtbare landwirtschaftliche Gebiete, und es war in dieser Region viel feuchter und kälter.

Mit anderen Worten: Der Klimawandel ist keine menschliche Schöpfung, sondern auch ein Teil der Natur. Er ändert nichts an der Tatsache, dass die Anwesenheit des Menschen für (zu) schnelle und bedeutende Veränderungen der Ökosysteme, der Flora und Fauna auf dem Planeten Erde verantwortlich ist.

Das explosive Bevölkerungswachstum von rund einer halben Milliarde Menschen im Jahr 1800 auf über sieben Milliarden im Jahr 2020, die (industrielle) Umweltverschmutzung, die Entwaldung der Kontinente (beginnend in Europa im 17. bis 20. Jahrhundert), die Urbarmachung von Land für (gigantische) Städte, Landwirtschaft, Golfplätze, Häfen, Flughäfen usw., Mobilität und die Nutzung natürlicher Ressourcen haben enorme Auswirkungen auf die Ökosysteme.

Der Mensch ist in der Tat ein Störfaktor, aber auch ein integraler Bestandteil der Natur und des Ökosystems. Das ist eine Tatsache. Andererseits gab es schon immer natürliche Vorläufer, wie die mächtigen Dinosaurier, Meteoriteneinschläge, Vulkanausbrüche oder die oben erwähnten Klimaveränderungen.

Der Planet Erde wird die Sonne noch Millionen von Jahren umkreisen, ob es nun einige Grad wärmer oder kälter ist, mit oder ohne Gletscher.

Die Menschheit bringt nicht nur das Ökosystem durcheinander und geht (zu) oft respektlos und nachlässig mit der Natur um, sie ist aber auch in der Lage, diese Entwicklung positiv zu beeinflussen.

Und sie tut das nicht nur der Natur, den Ökosystemen, der Flora und Fauna zuliebe, sondern auch, um ihre Lebensqualität zu verbessern.

Der Rhein bei Basel ist ein Beispiel. Wer hätte sich vor vierzig Jahren vorstellen können, in diesem toten Fluss zu schwimmen?  Heute schwimmen Menschen und Fische wieder fröhlich umher.

Der Lachs ist dazu noch nicht in der Lage, aber das liegt an anderen (französischen) Hindernissen.

Seit Jahrhunderten hat die Mobilität von Menschen und Gütern zu einer massiven Ein- und Auswanderung von Tieren, Pflanzen, Bakterien und Viren geführt. Kaninchen in Australien, die Kartoffel in Europa, aber auch die Grippe in Südamerika, Syphilis oder Corona sind nur einige Beispiele. So bevölkern heute rund achthundert eingewanderte Arten die Schweiz.

Der CO2-Ausstoss und der (nachgewiesene) Zusammenhang mit der Klimaerwärmung ist nur eine der Facetten, die in der neuen Ausstellung (Earth at its Limits) im schönen Naturhistorischen Museum Basel diskutiert werden.

Die Ausstellung ist auch eine (späte) Hommage an die amerikanische Wissenschaftlerin Eunice Newton Foote (1818-1888).

Sie entdeckte bereits 1856 den Zusammenhang zwischen CO2 und der globalen Erwärmung. Aber sie war eine Frau, und so erhielt John Tyndall (1820-1893) die Ehre einige Jahre später.

Wer in Graubünden, Regionen in Basel-Landschaft oder beim Skifahren in den Alpen wandert, hat die Vorstellung, dass der menschliche „footprint“ nicht so allgegenwärtig ist.

Die Ausstellung zeigt jedoch die Entwicklung der letzten hundert Jahre in Bezug auf den Rückgang der Gletscher, die Bebauung und Nutzung von Land, Umweltverschmutzung und den enormen Verbrauch von Süsswasser.

Der Brief an die Zukunft (vom August 2019) und der Gletscherstein zum Gedenken an das Verschwinden des Okjökull-Gletschers in Island veranschaulichen diese Entwicklung.

In dieser informativen und gut dokumentierten Ausstellung ist kein Platz für Pessimismus, (unnuancierten) Aktivismus, Unheil und Trübsinn.

Es macht auch keinen Sinn, denn die Menschheit ist da, und niemand will auf den Zahnarztstuhl der 1930er Jahre zurückkehren oder ohne Computer, Plastik, Chemie, Batterien oder moderne Transportmittel leben.

Die Frage ist: Wie gehen wir mit der Anwesenheit so vieler Menschen um, und wie organisieren wir die Erde für acht oder bald neun Milliarden Menschen?

Der Eingang dieser Schau bietet die vielleicht ruhigste Naturkulisse Basels: fünf Minuten langes Lauschen der Natur, ohne menschliche Geräusche im Herzen der Stadt am Münster. Sie ist für jeden Wanderer und Naturliebhaber zu empfehlen.