Stefan Kölliker, Regierungspräsident Kanton St. Gallen während seiner Rede beim Diner im Pfalzkeller. Foto/Photo: TES

Schweizer Kultur in Perspektive

Indische Schweiz, Afrikanische Schweiz, Sächsische Schweiz, Little Switzerland, Switzerland of Cameroun, Schweiz des Orients, Subtropische Schweiz, Switzerland Rangers, Little Switzerland, Klein Switzerland, Dänische Schweiz, Berliner Schweiz, Nassauer Schweiz, Swiss Canyon, Salvadoranische Schweiz, Mittelamerikanische Schweiz, la Suiza Argentina, la Suiza Peruana oder Österreichische Schweiz, die Schweiz ist auf der ganzen Welt und auf den fünf Kontinenten gut vertreten.

Neben dem Bundeshaus West in Bern findet sich ein Steingarten, eine Skulptur des Berner Künstlers George Steinmann. Auf der rechteckigen Fläche aus weissem Kies erheben sich fünf Gesteinsgruppen, jede einen der fünf Kontinente verkörpernd.

Die Schweiz in der Welt

Die Steine der Skulptur stammen aus allen fünf Kontinenten und wurden Gebieten, Landschaften, Hügeln und Orten entnommen, die den Namen ‘Schweiz’ (übersetzt aus der Landessprache) tragen. In diesen ausländischen ‘Schweizen’, wo die Steine nun fehlen, steht ein Wanderwegweiser, der anzeigt, wie weit entfernt man sie wiederfinden würde (in Bern also).

Die Bezeichnungen sind meist auf eine Ähnlichkeit mit der Schweizer Landschaft oder auf Schweizer Auswanderer zurückzuführen. Es stellt sich heraus, dass die Schweiz in vielen Ländern vertreten ist. Die Schweiz ist also weltweit bekannt.

Wie bekannt ist aber die Schweizer Kultur im Ausland? Unter dem Titel: ‘»Schweizer Kultur: ein Exportprodukt?» diskutierten rund 300 Teilnehmer und Experten am 99. Auslandschweizer-Kongress der SwissCommunity in St. Gallen (18.-20. August 2023) über dieses Thema. Eine weitere Angelegenheit war die politische Partizipation der Auslandschweizer und E-Voting mit Blick auf die eidgenössischen Wahlen am 22. Oktober.

Ariane Rustichelli, Direktorin der Auslandschweizer-Organisation SwissCommunity

Politische Partizipation und E-Voting

Der Bundesrat hat an seiner Sitzung vom 16. August 2023 beschlossen, dass das E-Voting-System bei den nationalen Wahlen vom 22. Oktober in den Kantonen Basel-Stadt, St. Gallen und Thurgau eingesetzt werden kann. Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer die im Stimmregister dieser Kantone eingetragen sind, können am 22. Oktober ihre Vertreterinnen und Vertreter im Parlament elektronisch wählen.

In der Schweiz sind die souveränen Kantone stets ein verfassungsrechtliches und politisches „Labor“ für die föderale Organisation. Diese Pilotprojekte könnten der Auftakt zu einer weiteren (Wieder)Einführung des E-Votings sein.

Die Mitglieder der SwissCommunity verabschiedeten zudem eine Resolution zur Gründung einer Arbeitsgruppe, die sich für eine stärkere politische Beteiligung der „Fünften Schweiz“ einsetzt. Diese Arbeitsgruppe wird mit anderen Organisationen zusammenarbeiten, die sich ebenfalls für eine stärkere politische Beteiligung einsetzen.

Die Mitglieder fordern auch eine weitere Unterstützung ihres Engagements durch den Bund, auch im Hinblick auf die sich verändernden Gründe für die heute oft nur noch zeitlich begrenzte Auswanderung. Zudem können ausländische Perspektiven, Erfahrungen und Konzepte die Schweiz bereichern.

Martin Candinas, Nationalratspräsident

Schweizer Kultur – ein Exportprodukt?

Mein Amt als Nationalratspräsident hat mich in diesem Jahr oft ins Ausland geführt. Was mich dabei immer beeindruckt, sind die Begegnungen mit den Schweizerinnen und Schweizern vor Ort. Diese Begegnungen haben mir gezeigt, die Schweizer Kultur ist nicht nur ein Exportprodukt. Ich finde, wir können selbstbewusst von einem Exporterfolg sprechen.

Mit diesen Worten (nach einer Begrüssung der Anwesenden auf Romanisch (Sursilvan) führte Nationalratspräsident Martin Candinas in das Thema ein.

Es kann ja sein, dass die Kultur ein Exporterfolg ist, aber die Schweiz ist im Ausland als Kulturland fast unbekannt, nicht nur auf den anderen Kontinenten, sondern auch in Europa. Eine Umfrage hat ergeben, dass andere Europäer, auch in den Nachbarländern, die Schweiz mit Bergen, Natur, Käse, Schokolade, Skifahren, Fondue und anderen Sachen assoziieren, aber ganz selten oder gar nicht mit Kultur.

Alexandre Edelmann (Chef a.i. von Präsenz Schweiz) während seiner Rede über die Umfrage.

Ist es die schweizerische Bescheidenheit, die zurückhaltende Präsentation, das Fehlen aristokratischer und fürstlicher Höfe oder einer goldenen Epoche in früheren Zeiten?

Die schweizerische Kulturlandschaft war schon immer international vernetzt und auch heute prägen viele Wissenschaftler, Architekten, Schriftsteller, Musiker und andere Künstler und Künstlerinnen die internationale Bühne in vielen Bereichen, aber oft, ohne ihre Herkunft zu erwähnen.

An sich ist dies auch nicht wichtig. The proof of the pudding is in the eating und die hochkarätige Kultur in der Schweiz ist in Musik, bildenden Künsten, Theater, Tanz, Literatur und modernen Medien omnipräsent. Sie ist allerdings oft auf lokaler, kantonaler oder kommunaler Ebene organisiert. Die Qualität ist jedoch in den zahlreichen Museen, Konzerthallen, Dörfern, Städten, Parken oft hoch, eben auf 2 284 Meter Höhe!

Die Schweizer Kultur ist ein Erfolg, vielleicht, weil sie so dezentralisiert stattfindet. Dies war und ist immer ein Motor für (internationale) Kontakte, Innovation, Kreativität und organisatorische Talente. Vielleicht ist diese föderale, dezentralisierte Kulturszene aber mit ein Grund für die (relative) Unbekanntheit der Schweiz als Kulturland.

Das Béjard-Ballet in Lausanne, die Salle de la Musique in La Chaux-de-Fonds, die Jazz-Festivals in Montreux oder St. Moritz, die Scherenschnitte in Château d’Oex, die (ehemalige) Ziegler-Keramik in Schaffhausen, die Uhren, die Fondation Pierre Gianadda in Martigny, das Vitra Design Museum in Weil am Rhein, die Stickerei in der Ostschweiz, die Musikfestivals in Luzern oder Gstaad, die Michalski Fondation in Montricher, die Beyeler Fondation in Riehen oder das Barockorchester La Cetra in Basel sind nur einige Beispiele. Viele Schweizer und Schweizerinnen waren und sind ausserdem in vielen Bereichen der Kultur im oder in Verbindung mit dem Ausland aktiv.

Tradition und Innovation

Schlussfolgerung

Die Kulturlandschaft der Schweiz ist seit jeher weit und breit bekannt, aber fast immer ‘low profile’, im Gegensatz zu den 48 Bergen mit einem sehr hohen Profil. Schon der Humanist Desiderius Erasmus (1467-1536) schätzte diese Umgebung.

Vielleicht fehlt es tatsächlich ein spezifischer Faktor, wie zum Beispiel das Goldene Jahrhundert in Italien und in den Niederlanden, ein König Ludwig XIV von Frankreich oder deutsche, spanische und österreichische Fürsten und ihre Hofkultur und Weltreiche. Die Schweizer Kultur und ihr Export oder Erfolg sind in dieser Hinsicht auch typisch schweizerisch. Und das ist ein Kompliment.

Filippo Lombardi, Präsident der Auslandschweizer-Organisation SwissCommunity

Die Eröffnung des 99. Auslandschweizer-Kongress mit der Nationalhymne.