Eine Reise entlang des Rheins in 38 Ausstellungen

Das Dreiländermuseum in Lörrach eröffnete am 11. November mit einer Vernissage in der Evangelischen Stadtkirche seine Reihe von 38 grenzüberschreitenden Ausstellungen zum Thema  Rhein.

Vernissage, Das Chor mit französischen, deutschen und Schweizer Liedern aus dem 19. Jahrhundert.

Am 12. November fand das jährliche Treffen des Netzwerks Geschichtsvereine/Réseau des Sociétés d’Histoire am Oberrhein im Dreiländermuseum statt. Ihm sind über 200 historische Gesellschaften angeschlossen.

Die Referenten und die Organisatoren des Kolloquiums des Netzwerks der Geschichtsvereine am Oberrhein, 12. November 2022, 

Die Ausstellung ist das Ergebnis der Zusammenarbeit des Netzwerks Museen/Réseau des Musées am Oberrhein. Dieses Netzwerk ist das grösste grenzüberschreitende Projekt von Museen in Europa, das vom Drieländermuseum in Lörrach koordiniert wird.

Wie der Name schon sagt, hat das Dreiländermuseum Frankreich, Deutschland und die Schweiz zum Ausgangspunkt. Es macht seinem Namen alle Ehre, und mehr als das. Das Netzwerk ist ein Beispiel für eine konkrete regionale grenzüberschreitende Zusammenarbeit. Das Netzwerk und das Dreiländermuseum organisieren alle vier Jahre eine grosse Ausstellung.

Der Rhein

Basel 2022. Der Rhein und die Mittlere Brücke.

Basel, Ende des 16. jahrhunderts. Blick auf Gross- und Kleinbasel links und rechts de Rheins und die Mittlere Brücke. Kupferstich von George Braun- Frans Hogenberg in Civitates orbis terrarum, 1572-1617, nach einem Holzschnittt von Johannes Stumpf oder Sebastian Münster. Sammlung: Dreiländermuseum (DLM K 16-233)

Albert und Hélène Schweitzer-Bresslau baum beim Münster in Basel. Die Linde steht für das am 24. März 1913  gefeierte 100-Jahr-Jubiläum der Abreise von Albert und Helene Schweitzer-Bresslau aus dem Elzas nach Lambaréné (Gabon) in Afrika.

Der Rhein ist Emotion und Identität. Das deutsch-französische Ehepaar Albert (1875-1965) und Hélène (1879-1957) Schweizer aus dem Elsass nannte seine Tochter Rhena. Die Basler Hymne ist „Z’Basel an mym Rhy“ (1806 von Johann Peter Hebel, 1760-1826, Melodie von Franz Abt, 1819-1885), die bei feierlichen Anlässen, an der Fasnacht und bei Spielen des Fussballclubs Basel (FCB) gesungen wird.

Andere Emotionen waren jahrhundertelang weniger friedlich, sondern nationalistischer Art und auf territoriale Expansion ausgerichtet. Diese Geschichte reicht bis zu den Kelten, Römern und Germanen zurück.

Nach der Teilung des Karolingerreiches im Vertrag von Verdun 843 war der Oberrhein bis zur Reformation (ab 1517) und dem Westfälischen Frieden (1648) jahrhundertelang eine wirtschaftlich, sprachlich (alemannisch), religiös (katholisch) und kulturell eng verbundene Region. Danach war es bis 1945 Kriegsgebiet zwischen Frankreich und Deutschland.

Ausschnitt aus einem Zollspiel, das die Dutzenden von Zollstellen entlang des Rheins bis 1798 zeigt. Sammlung: Dreiländermuseum

Dies spiegelt sich auch in der Wahrnehmung des Rheins wider. Frankreich und das Elsass gedenken am 11. November „La Grande Guerre“, es ist ein Trauertag. Deutschland hat gerade den neunten November hinter sich, und der 11. November ist ein Tag der Besinnung.

In Basel hingegen erklingen an diesem Tag die Piccolos und Tamburine des Fasnachtsbeginns!

Für Frankreich ist der Rhein seit langem eine natürliche Grenze: im Süden die Pyrenäen, im Westen der Atlantik/die Nordsee, im Osten die Alpen und im Norden der Rhein bis zu den Niederlanden.

Napoleon (1769-1821) bestand in konsequenter Art und Weise auf diesem Grenzverlauf. Die Niederlande waren seit 1810 Teil des französischen Kaiserreichs, der Rhein war die deutsch-französische Grenze (mit dem Rheinbund als Satellitenstaat) und die Teilung von Rheinfelden, Kaiserstuhl und Laufenburg in eine deutsche und eine schweizerische Seite, getrennt durch den Rhein. Nur Schaffhausen und Klein-Basel auf der „deutschen“ Seite des Rheins respektierte Napoleon als Schweizerisches Territorium aufgrund jahrhundertealter Ansprüche.

Das Elsass

Das Elsass war bis zur Eroberung Strassburgs 1681 durch Ludwig XIV. (1638-1714) jahrhundertelang deutschsprachiges und habsburgisches Gebiet. Im Westfälischen Frieden (1648) verzichtete Habsburg jedoch auf seine Rechte im Elsass.

Die deutschsprachigen Städte im Elsass (der Zehnstädtebund oder Dekapolis) blieben jedoch nach 1648 mit dem Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation verbunden. Einige Städte waren sogar mit der Schweizerischen Eidgenossenschaft alliiert! Ludwig setzte dem durch Eroberungen ein Ende.

Der Friede von Nimwegen (1679) beendete endgültig die Bestrebungen dieser Städte, und nach der Eroberung von Strassburg wurde das Elsass französisches Gebiet. Die deutschen Nachbarn haben dies erst 1945 akzeptiert.

Links: französisches Plakat. Die Rückkehr zum Rhein. Soldaten in den Vogesen sehen bereits die Trikolore auf dem Strassburger Münster. Rechts: deutsches Plakat mit einer Warnung vor einem Vorrücken französischer Truppen. Sammlung: Drieländermuseum (DLM PI 1663 en DLM PI 2207).

Die Konflikte um das Elsass im Zeitraum 1840 (Rheinkrise), 1871-1918 (Deutsches Kaiserreich), 1918-1940 (Französische Republik), 1940-1945 (Drittes Deutsches Reich) bis 1945 stehen im Mittelpunkt der Ausstellung.

Die Wacht am Rhein (1840, komponiert von Max Schneckenberger, 1819-1849) auf deutscher Seite und die Marseillaise (1792, komponiert in Strassburg von Claude Rouget de Lisle, 1760-1836, aber gesungen von Soldaten aus Marseille) auf französischer Seite sind die bekanntesten Kampflieder dieser Zeit. Die unschuldige Hymne Z’Basel an mym Rhy verdeutlicht den Unterschied in der Wahrnehmung.

Der Kollateralschaden war die Vertreibung von 100 000 Deutschen aus dem Elsass und aus Lothringen im Jahr 1918 und das Verbot der deutschen (alemannischen) Sprache nach 1918 und nach 1945 insgesamt, obwohl Deutsch für viele Einwohner die gesprochene Sprache war. Doch die deutschen Eroberer machten sich 1871 im Elsass nicht beliebt, trotz der gemeinsamen Sprache. Der preussische Ansatz wurde nicht geschätzt.

Jean-Jacques Waltz, (Hansi, 1873-1951), Passage du Rhin, Farblithographie, 1919, rechts Breisach (Duitsland). Sammlung: Drieländermuseum (DLM  GrGeXVIII 83).

Ausstellungen und ähnliche Veranstaltungen  

Der Rhein gehört nicht zu den zehn längsten Flüssen Europas, aber er ist der am meisten befahrene, besungene, umkämpfte, verbindende, industrialisierte, mythische und prestigeträchtige Fluss. Seine Länge von der Quelle am Tomasee in der Nähe des Oberalppasses in der Schweiz bis zur Mündung in die Nordsee beträgt rund 1.230 Kilometer, davon 375 Kilometer in der Schweiz.

Der Oberrhein fliesst von Basel bis Bingen in Rheinland-Pfalz, von Schaffhausen bis Basel hat er den Namen Hochrhein. Die Ausstellung deckt dieses Einzugsgebiet ab.

Die einzigartige Reihe von 38 Ausstellungen befasst sich mit einer breiten Palette von Themen. Einen Überblick und eine Diskussion über den Inhalt finden Sie auf den Websites der Museen. Sie werden hier weiter nicht besprochen.

Mit zwei Ausnahmen: die bereits besprochene Ausstellung „Ave Caesar! Römer, Gallier und Germanen am Rhein“ und die Überblicksausstellung im  Dreiländermuseum (Der Rhein. Die Überblicksausstellung/Le Rhin. L’exposition générale).

Die Retrospektive 

Der Rhein fliesst buchstäblich durch das Museum. Besucherinnen und Besucher könnenunter anderem in einer halbstündigen Fahrt in einer komfortablen Schaluppe von der Mittleren Brücke in Basel zur Dreiländerbrücke fahren

Die Dreiländerbrücke. Foto: Michael Sesiani

Ausgewählte Objekte, Dokumente, topografische Karten, Video- und audiovisuelle Präsentationen werden zur Veranschaulichung oder Präsentation der verschiedenen Themen verwendet. Die Sammlung des Museums ist so umfassend und beeindruckend, dass sie sich keiner ausgeliehenen Objekte bedienen muss.

Die französische, deutsche, schweizerische und europäische Perspektive bilden den Anfang und Ausgangspunkt dieser kulturgeschichtlichen Reise entlang des Rheins, mit Sensibilität und Respekt vor dem Detail, ohne den Blick für das Ganze zu verlieren.

Ein Bestandteil der Ausstellung ist der Bau von Festungen entlang des Rheins, mit besonderem Augenmerk auf Sebastien de Vauban (1633-1707) zur Zeit Ludwigs XIV.,dem Bau der Maginot-Linie nach 1918 auf französischer Seite,den deutschen Festungen 1871-1918 und dem Westwall 1940-1945 auf deutscher Seite. Die Aufmerksamkeit für den unversöhnlichen Versailler Vertrag (1918-1919) und die andere, versöhnliche Annäherung nach 1945 schliessen den Zeitraum 1870-1945 ab.

Wasserkraft Kembs (1932). Der Vertrag von Versailles gab Frankreich nicht nur den Rhein als Grenze zurück, sondern auch alle Nutzungsrechte des Rheins. Sammlung: Drieländermuseum (DLM FoD 2 (b und II)

Eduard Tennner (1830-1901), Der Isteiner Klozt, 1882, Rheinromantik. Sammlung: Drieländermuseum (DLM BKVer 25)

Zahlreiche weitere Themen reihen sich aneinander: Geologie, Goldbergbau, Religionen und Kirchenbau (von Chur bis Utrecht war der Rhein ein Band aus romanischen und gotischen Kathedralen), Fischerei, Rheinregulierung, Schifffahrt, Wasserkraftwerke, Kanalisierung, Umweltverschmutzung, Hochwasser, Kunst, Literatur und Musik, Rheinromantik, Archäologie, (alemannische) Dialekte, Rheinbrücken und andere Themen.

Was wäre der Rhein ohne Wein. Auch daran hat man in der Sitz- und Leseecke gedacht.

Ausserdem organisiert das Museum Dutzende von Vorträgen, Konferenzen, Konzerten, Ausflügen, Kinderprogrammen und anderen Veranstaltungen über die Ausstellung.

(Quelle und weitere Informationen: Drieländermuseum in Lörrach)

Korrektorin: Petra Ehrismann

Neuenburg am Rhein, der Rhein